Freitag, 10. Mai 2019

Es kann inzwischen unterlassene Hilfeleistung sein, einen Gentest NICHT zu empfehlen

Die modernen Möglichkeiten der DNA-Sequenzierung verändern das rechtliche Terrain, auf dem sich Ärzte bewegen (1). Inzwischen kann es unterlassene Hilfeleistung sein, einem Patienten NICHT eine DNA-Sequenzierung angeboten zu haben oder ihm NICHT die aus der Sequenzierung gewonnenen Erkenntnisse für sich selbst und seine nächsten genetischen Verwandten mitgeteilt zu haben.

Das hörte sich noch vor wenigen Jahren ganz anders an. Da fragte man anders herum eher, wie erlaubt DNA-Sequenzierung überhaupt sei!!!

Aber vorhandene Möglichkeiten der Wissens-Gewinnung ändern die Verantwortlichkeiten auf dem jeweiligen Gebiet. Und zwar drastisch. Man kann finden, daß das eine sehr aufrüttelnde Lehre ist. Es wird etwa über den folgenden Fall berichtet:

Ein Arzt verschrieb ein Medikament. In der Packungsbeilage wurde ein Gentest für Menschen asiatischer Herkunft empfohlen, bevor sie das Medikament nehmen. Das hatte der Arzt nicht empfohlen, da er das Medikament verschrieb, ohne die Patientin überhaupt gesehen zu haben, und derem Namen nicht anzusehen war, daß sie asiatischer Herkunft war. Die Patientin ist daran fast gestorben.*)

Wow. ERSTENS wußte ich gar nicht, daß es inzwischen schon häufiger Medikament gibt, die Gentests vor ihrer Einnahme empfehlen. ZWEITENS war mir nicht wirklich bewußt, welche Verantwortlichkeiten sich aus solchen Umständen ergeben.

Wer Rasse NICHT sieht, tötet - als Arzt. Und genau das war schon der Tenor vor mehr als zehn Jahren in der Literatur, daß eine Medizin und eine medizinische Forschung, die die Herkunftsgruppe (Rasse) NICHT mit berücksichtigen, töten. Hier wird nun über einen sehr konkreten Fall berichtet.

Ähnliches, so wird berichtet, gilt für lebensgefährliche Sensibilität gegenüber dem Blut-Verdünnungsmittel Warfin. Auch hier kann Gen-Sequenzierung lebensrettend sein.
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*) "The drug’s label recommends genetic testing for all patients of Asian descent before they take it. This woman’s ancestry fit the bill, but her doctor failed to recognize that, and she nearly died."
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  1. Genomics breeds new legal questions. By Jennifer Couzin-Frankel. Science Mag., 10 May 2019, Vol. 364, Issue 6440, pp. 521, DOI: 10.1126/science.364.6440.521,https://science.sciencemag.org/content/364/6440/521

Mittwoch, 13. März 2019

Ausbreitung der Schafzucht nach Tibet ab 1.000 v. Ztr.

Vermische dich mit Einheimischen, wenn du in neuen ökologischen Räumen überleben willst .....

Im 1.000 v. Ztr. breiteten sich Ackerbau und Viezucht von China nach Tibet aus, darunter auch die Schafzucht. Und auch bei der Anpassung der domestizierten Schafe an das Leben in den extremen Höhenlagen Tibets haben sich diese Schafe mit dort einheimischen Tieren vermischt und von ihnen dafür geeignete genetische Anpassungen übernommen (1). 

Das scheint also eine allgemeine Gesetzmäßigkeit zu sein. Auch unsere Vorfahren aus Afrika haben ja vor etwa 100.000 Jahren geringe Anteile Neandertaler-Genetik in sich aufgenommen, wodurch sie, wenn man es recht versteht, besser angepaßt waren an das Leben in nördlicheren Breitengraden.

Abb. 1: Ausbreitung der Schafzucht nach Tibet um 1.000 v. Ztr. (aus: 1)
Original-Erläuterung zur Abbildung:
Integrated diagram of the inferred demographic history of the late-Holocene human and sheep populations on the Qinghai-Tibetan Plateau (QTP).
(A) Distribution and approximate dates of prehistoric archeological sites of sheep in the QTP and surrounding areas. The thick brown line indicates the Tang–Bo Ancient Road (Chen et al. 2015; Zhang et al. 2017). 
(B) A proposed demographic scenario for the development of agriculture on the QTP based on archeological records of domestic animals (e.g., sheep, cattle, pig, and dog) and crops (e.g., millet, barley, and wheat) (supplementary table S2, Supplementary Material online), with sheep and wheat as representative species shown on the figure. 
(C) A proposed demographic scenario of sheep on the QTP based on genetic data in this study. 
(D) The best-supported demographic model of Chinese sheep populations inferred from the approximate Bayesian computation (ABC) approach.


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  1. The Genome Landscape of Tibetan Sheep Reveals Adaptive Introgression from Argali and the History of Early Human Settlements on the Qinghai–Tibetan Plateau Xiao-Ju Hu Ji Yang Xing-Long Xie Feng-Hua Lv Yin-Hong Cao Wen-Rong Li Ming-Jun Liu Yu-Tao Wang Jin-Quan Li Yong-Gang Liu ... Show more Molecular Biology and Evolution, Volume 36, Issue 2, 1 February 2019, Pages 283–303, https://doi.org/10.1093/molbev/msy208 Published: 16 November 2018, https://academic.oup.com/mbe/article/36/2/283/5184913