Freitag, 14. Dezember 2018

Ja, da stimme ich zu, auch die Germanen hatten keine klaren Vorstellungen darüber, ob es ein Weiterleben nach dem...

Ja, da stimme ich zu, auch die Germanen hatten keine klaren Vorstellungen darüber, ob es ein Weiterleben nach dem Tod gibt oder nicht - wie hätten sie diese auch haben können?

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Ehepaar Ludendorff und den führenden Nationalsozialisten aufzuzählen, dazu ist ein solcher Kommentarbereich nicht der richtige Ort. Auf dem Gebiet der MORAL, der ETHIK dürften die Unterschiede am größten sein. Ansonsten hier erst mal nur folgende Hinweise:

1. In dem Buch "Die machtvolle Religiosität des deutschen Volkes vor 1945" werden die sehr interessanten und differenzierten religiösen Auseinandersetzungen innerhalb des deutschen Volkes während des Dritten Reiches aus der Sicht des Ehepaares Ludendorff dokumentiert. Dürfte eine interessante Lektüre für Dich sein.

2. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen wurde den Nationalsozialisten rund um Alfred Rosenberg SELBST klar, was Ludendorff immer sagte, daß eine diffuse Weltanschauung noch keine ausgearbeitete Philosophie ist, deshalb gab es eine Arbeitsgruppe, die an den philosophischen Grundlagen des Nationalsozialismus arbeitete: https://studiengruppe.blogspot.com/2011/08/eduard-baumgarten-eine-groe.html
Meines Erachtens "mußte" man das nur tun, weil man tunlichst einen Bogen schlagen "mußte" um die Hitler-Gegner Erich und Mathilde Ludendorff, denn hier lagen und liegen moderne, belastbare philosophische Grundlagen für die Gestaltung eines freiheitlichen, völkischen Staates sehr wohl bestens vor.

3. Auch auf dem Gebiet an der angewandten Moral, also des Handelns, kann man Gemeinsamkeiten und Unterschiede feststellen. Ludendorff warnte vor Hitlers "hirnverbrannter Außenpolitik" seit 1929 öffentlich. Deshalb wurde er von Hitler schon ab 1930/31 mit niedrigsten, undeutschesten Mitteln bekämpft:
https://studiengruppe.blogspot.com/2011/12/um-seiner-verdienste-um-die-bewegung.html
Deshalb wurden ab Juni 1937 sogar neue Röhm-Putsch-Morde gegen Erich Ludendorff vorbereitet von Adolf Hitler persönlich:
https://studiengruppe.blogspot.com/2013/01/hitlers-mordplane-gegen-ludendorff-im.html

Damit nur mal wenige Hinweise. Hitler und die NSDAP wurden meines Erachtens in klassischer Weise dazu von den monotheistischen Hintergrundmächten dazu benutzt, um die deutsche völkische Bewegung zu vernichten und auf immer und ewig zu diskreditieren. Genauso wie es Erich Ludendorff auch vorausgesagt hat 1933
https://studiengruppe.blogspot.com/2013/08/ludendorffs-emporte-telegramme.html

ebenso wie 1937 in seinem persönlichen Gespräch mit Hitler selbst und in seinem nachfolgenden Aufsatz zu Hitlers Geburtstag.
http://studiengruppe.blogspot.com/2013/06/diese-tapfere-frau-ernst-hanfstaengl.html

Freitag, 12. Oktober 2018

"Genetic determinism rides again"

Die gegenüber bisher deutlich wirkungsvollere Erforschung polygenetisch vererbter Merkmale nimmt die Wissenschaft und die Mitmach-Genetik gerade "im Sturm"

Er hat sich "erneut auf Eroberungszüge begeben" - wer denn? Huh, huh, huh, der:  "genetische Determinismus": "Genetic determinism rides again" (1). Er reitet also wieder. Er reitet, als sei er der Teufel, der Leibhaftige selbst. Oweia geschrieen, arme Menschheit, wer beschützt Dich vor ihm?

In Form einer solchen "düsteren" Prophezeiuung, einer solchen düsteren Unheils-Botschaft kann eigentlich nur die Besprechung eines neu erschienenen Buches (1) veröffentlicht werden, das ja dann wohl doch schon besonders gut sein muß. Nun, der Autor, Robert Plomin, bürgt in der Tat für Qualität. Man hat ihn bislang immer als denjenigen Erforscher der Erblichkeit menschlicher Intelligenz-Unterschiede wahrgenommen, der noch am wenigstens "schlimm" von solcher Erblichkeit gesprochen hatte.

Doch in diesem neuen Buch scheint nun alles ganz anders zu sein. Und das scheint in einem Umstand begründet zu liegen, der wohl durchaus der Erwähnung wert ist. Es geht darum, daß die modernen Methoden der Gen-Sequenzierung und ihrer statistischen Auswertung es inzwischen erlauben, polygenisch vererbte Merkmale zu erforschen in einem Umfang und in einer Präzision, wie man bislang nur monogenetisch vererbte Merkmale hat erforschen können. Polygenisch heißt, daß viele hundert, ja, viele tausend Stellen im Genom die Ausprägung eines bestimmten Merkmales mitbestimmen können.

Die "politisch Korrekten" hatten lange gehofft, daß polygenetische Vererbung so schwer erforschbar wird, daß man letztlich nie würde "beweisen" können, welche Vererblichkeit bei solchen Merkmalen tatsächlich vorliegt. Was natürlich Unsinn ist, weil man das seit der Zwillingsforschung alles schon bestens weiß, und weil deshalb der "genetische Determinismus" nicht "wieder" reiten muß, sondern schon seit Jahrzehnten immer im gleichen Takt hübsch Trab reitet.

Es ist nur Rhetorik, wenn man uns weismachen will, die Erblichkeit aller menschlichen Merkmale wäre zeitweise so etwas wie "widerlegt" gewesen. Das war sie nie, man hat nur durch dümmliche Rhetorik versucht, sie so klein und so wenig vorhanden wie nur möglich zu reden. Das scheint nun noch weniger möglich geworden zu sein als das bislang schon möglich war. Eine neue wissenschaftliche Revolution - nach schon so vielen anderen auf diesem Gebiet - ist in den folgenden wenigen Worten enthalten (1):
"Polygenic scores have been shown to improve risk predictions for prostate, ovarian and breast cancers. They can point to traits that might have been influenced by local adaptation, and gauge the pace of evolutionary change."
Zu Deutsch:
"Es konnte inzwischen gezeigt werden, daß polygenetische Auswertungen die Risiko-Voraussagen für Prostata-, Eierstock- und Brustkrebs verbessern können. Sie können auf Merkmale hinweisen, die auf lokale Anpassung zurück zu führen sind, …"
(sprich: bei denen Volks- und Rasse-Unterschiede vorliegen!)
"... und die den Weg des evolutionären Wandels nachverfolgen lassen."
In der Tat, scheint diese "polygenetische Revolution" etwas völlig Neues darzustellen. Und in dem Buch von Robert Plomin kann man sich über diese Revolution kundig machen. Es wird dann auch gleich geunkt, daß die Abwesenheit jeder Erwähnung des Wortes "Rasse" in diesem Buch sehr verdächtig sei, da dieses Konzept offenbar überall mitgelesen werden kann.

Also, ihr deutschen Intellektuellen, neues Futter zur geistigen Auseinandersetzung. Greift zu! Und wartet nicht, daß das jemals eine rechtskatholische oder rechtschristliche Lobby tun wird. Das haben sie niemals getan und werden sie niemals tun, und mögen sie den Begriff "Neue Rechte" noch so sehr für sich benutzen. "Neue Rechte" heißt in seiner ursprünglichen Bedeutung: Sich auf die Forschungen des Intelligenz-Forschers Arthur Jenssen zu beziehen und heißt zum zweiten: nichtchristlich zu sein.

Ergänzung 10.10.18: Eine Woche später heißt es in derselben Zeitschrift "Nature", daß diese Art den Genomauswertung die Genetik gerade "im Sturm" nimmt (3), daß die Wissenschaftler überrascht sind über die Schnelligkeit, mit der hier sich hier gerade die Entwicklungen überstürzen. Und auch hier werden die alten Sorgen in neuer Form formuliert (3):
"Some research presents ethical quandaries as to how the scores might be used: for example, in predicting academic performance."
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  1. Comfort, Nathaniel: Genetic determinism rides again Nathaniel Comfort questions a psychologist’s troubling claims about genes and behaviour. Nature, 25.9.2018, https://www.nature.com/articles/d41586-018-06784-5
  2. Plomin, Robert: Blueprint - How DNA Makes Us Who We Are. Allen Lane (2018)
  3. Warren, Matthew: The approach to predictive medicine that is taking genomics research by storm. Nature, 10.10.2018, https://www.nature.com/articles/d41586-018-06956-3

Donnerstag, 20. September 2018

Ängstliches oder wutschnaubendes Gesicht?

Ängstliches oder wutschnaubendes Gesicht?

Unterschiede in der Gesichtswahrnehmung zwischen westlichen und melanesischen Gesellschaften

Ein um Luft ringendes Gesicht ("gasping face") wird in westlichen Gesellschaften in der Regel als ein ängstlicher Gesichtsausdruck bewertet wie zahlreiche Studien erbrachten.

Und in der Forschung wurde ja auch schon festgestellt, daß überdurchschnittlich häufig kriminelle Menschen in westlichen Gesellschaften einen ängstlichen Gesichtsausdruck nicht von einem aggressiven Gesichtsausdruck unterscheiden können. Sind vielleicht in diesen Menschen einfach archaischere Formen von Gesichtswahrnehmung und emotionaler Wahrnehmung aktiviert?

Eine Studie aus dem Jahr 2016 (1, 2) stellte nämlich fest, daß auch die Trobriander in Melanesien um Luft ringende Gesichter nicht im Wesentlichen als ängstliche Gesichter, sondern als aggressive, wütende Gesichter interpretieren.

1. http://www.pnas.org/content/pnas/113/44/12403/F4.large.jpg
2. The fear gasping face as a threat display in a Melanesian society
Carlos Crivelli, James A. Russell, Sergio Jarillo, and José-Miguel Fernández-Dols
PNAS November 1, 2016 113 (44) 12403-12407; published ahead of print October 17, 2016 https://doi.org/10.1073/pnas.1611622113, http://www.pnas.org/content/113/44/12403

Dienstag, 18. September 2018

Unser moderner Altruismus

Unser moderner Altruismus
Er evoluierte als gruppenegoistische Kooperation in Zwischengruppen-Konkurrenz

Das Buch "A cooperative species" von Samuel Bowles und Herbert Gintis aus den Jahren 2011, bzw. 2013 (1) scheint mir bis heute der differenzierteste wissenschaftliche Versuch zu sein, den Altruismus, das heißt die Aufopferungsbereitschaft und damit die Kooperationsfähigkeit moderner arbeitsteiliger Gesellschaften zu erklären. Es argumentiert sowohl auf der proximaten wie auch auf der ultimaten Ebene, also auf der Ebene des Phänotyps und seiner Mechanismen wie auch auf der Ebene der Gene und ihrer Überlebensrationalitäten.

In einer Rezension aus dem Jahr 2016 wird eine sehr gute Zusammenfassung und ein sehr guter Inhaltsüberblick zu diesem Buch gegeben. Da heißt es (2):

"Chapter 1 provides a concise and useful summary of the book."

Die Hauptthemen des Buches sind "inklusive Fitneß" (also Verwandtenaltruismus) und "Gegenseitigkeit", also die Grundkonzepte der Soziobiologie. Aber das Buch erörtert auch, ob und warum diese beiden Erklärungsprinzipien auf der ultimaten Ebene bislang noch unbefriedigend erscheinen, um sowohl die Stabilität als auch die Anfälligkeit von Kooperation in modernen arbeitsteiligen Gesellschaften zu erklären. Der eigene Neuansatz der Autoren wird dann in Kapitel 6 vorgestellt (2):

"In chapter 6, Bowles and Gintis review this evidence as well as the ethnography and history of pre-state societies. This is where the book shines. Rather than postulate about our past, they document it using the latest evidence. I am unaware of any other source that provides such a detailed and thorough review. And the picture that emerges is not a world of small, isolated bands. Instead, our ancestors seem to have lived in groups of several hundred, been cosmopolitan (complete with far-flung co-insurance, trading, mating, and other social networks), and warlike. In short, they were a lot like us, only on a smaller scale. I’d recommend the book for this chapter alone."

Die Inhalte dieses Kapitels sind mir in einzelnen, an prominenter Stelle veröffentlichten Aufsätzen der Autoren schon bekannt geworden. Aber es dürfte interessant sein, ob das Kapitel diesen Aufsätzen noch weitere Gedankenansätze hinzufügt oder auch die Aufsätze selbst noch besser erläutert.

Im Kapitel 8 wird noch einmal "parocial altruismus" erörtert, also gruppenegoistischer Altruismus. Abschließend schreibt der Rezensent (2):

"The core argument Bowles and Gintis make is that our evolutionary past was characterized by within-group cooperation and between-group competition."

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1. Samuel Bowles and Herbert Gintis: a cooperative species. Princeton University Press, Princeton, 2013, 280 pp, http://library.uniteddiversity.coop/Cooperatives/A_Cooperative_Species-Human_Reciprocity_and_Its_Evolution.pdf
2. Rezension von Karthik Panchanathan im "Journal of Bioeconomics", 2016, https://link.springer.com/article/10.1007/s10818-016-9214-y
https://link.springer.com/article/10.1007/s10818-016-9214-y

Angeborene Neigungsunterschiede zwischen Völkern und Rassen

Angeborene Neigungsunterschiede zwischen Völkern und Rassen

In diesem Artikel wird ein Buch darüber besprochen, das schon 2012 erschienen ist. Es wird die unterschiedliche Häufigkeit der Neigung zu ADHS und Depression erörtert und die Folgen, die sich daraus ergeben.
https://notpoliticallycorrect.me/2018/09/16/do-genes-and-polymorphisms-explain-the-differences-between-eastern-and-western-societies/

Sonntag, 16. September 2018

Sitten, Bräuche und Gewohnheiten - Wie sehr darf man sie verändern?

Sitten, Bräuche und Gewohnheiten - Wie sehr darf man sie verändern?

Die menschliche Kulturpsychologie hält viele Geheimnisse bereit. In einem neuen evolutionspsychologischen Buch wird manches Geheimnis berührt und auf dasselbe neues Licht geworfen. Ein Rezensent hält darüber fest (1):

"Intriguingly, cultural techniques are often acquired and used without people in the community knowing how they work or why they are needed. People in small-scale societies usually name “customs” as the main reason behind some cultural rituals like food processing. This processing often consists of causally opaque techniques, like putting ash in a corn mix before heating, to avoid niacin deficiency. A lot of harm or even death may result from not using those cultural rituals and these societies would be worse off if they would not use them. Sometimes these rituals only work if people do not know why they use them (e.g. divination to avoid problems with the Gambler’s fallacy)."

Hier geht es also um gesunde Nahrungszubereitung in Naturvölkern, die über die Generationen hinweg als "Brauch", "Gewohnheit" aufrecht erhalten wird, obwohl die Menschen gar nicht (mehr) wissen, welchen Sinn dieser "Brauch'" eigentlich hat, während hinwiederum die moderne Wissenschaft durchaus erkennt, daß ein solcher Brauch einen Sinn hatte und hat. Gerne kann der Fortbestand eines Brauches, einer Gewohnheit über die Generationen hinweg auch abgesichert werden, indem er in geheilige Rituale eingebunden ist oder in Bezug zu ihnen gesetzt wird.

Was also geschieht, wenn ein Volk von seinen traditionellen Bräuchen, Sitten und Gewohnheiten getrennt und entfernt wird? Es geht damit auch die unbewußte Weisheit verloren, die in diesen Bräuchen, Sitten und Gewohnheiten enthalten ist. So etwa die Weisheit, daß gemeinsames Singen lebenszugewandter seelenvoller Lieder, gemeinsames Tanzen lebenszugewandter, seelenvoller Tänze - wie dies Jahrtausende lang in unseren Breitengraden üblich war - der seelischen Gesunderhaltung der Menschen über viele, viele Generationen hinweg gedient hat und auch heute noch dienen könnte - wenn es denn nicht lebens-, kultur- und gemeinschaftsfeindliche Ideologien gäbe, die uns schon seit Jahrzehnten solche Bräuche lächerlich zu machen bemüht sind und an Stelle derselben lebensfeindliche Bräuche, Sitten und Gewohnheiten setzen wollen.

Mit "Gamler's fallacy" ist übrigens der "Spielerfehlschluß" gemeint, der darin besteht (siehe Wikipedia), daß man glaubt, daß wenn lange Zeit ein zufälliges Ereignis nicht mehr eingetreten ist, die Wahrscheinlichkeit, daß es eintreten wird, erhöht sei. Dem ist aber nicht so. Ein zufälliges Ereignis bleibt immer ein zufälliges Ereignis und wird durch die "Vorgeschichte" anderer zufälliger Ereignisse nicht beeinflusst. (Welcher Zusammenhang allerdings zu der Beibehaltung von Bräuchen bestehen soll, deren eigentlichen Sinn man oft gar nicht mehr recht versteht, sei hier dahin gestellt.)

Joseph Henrich ist desweiteren ein Anhänger der Gruppenselektions-Theorie (1):

"One of the most important factors for spreading pro-social norms in a group seems to be intergroup competition. The group which possesses better social norms could be able to wipe out or assimilate another group with inferior social norms."

Diese Gruppenselektion dürfte bei der Entstehung von Völkern, die nachmalig großen kulturellen und demographischen Erfolg hatten wie den Indogermanen, den Bandkeramikern oder dem anatolisch-neolithischen Volk, das um 6.500 v. Ztr. entstand, eine keineswegs geringe Rolle gespielt haben. Auch ihre erfolgreiche Ausbreitung stellt ja eine Form von Gruppenselektion dar. Ganz richtig heißt es in der Rezension (1):

"A tribal band with better social norms could just be able to outlast another one in harsh and hostile environments. Different social norms can also spread through migration, learning, and adopting from more successful groups. Intergroup competition, therefore, shapes cultural evolution in a big way. Over time it leads to bigger community sizes and more political complexity which again lead to even more effective social bonding."

Gruppen werden zusammengehalten von der schon von Elisabeth Noelle-Neumann ("Die Schweigespirale") so gut erforschten "Isolationsangst". Henrich spricht anstelle dessen von "norm violaters", also von Menschen, die die Gruppennorm infrage stellen und deshalb - in den Worten Noelle-Neumanns - mit Isolation und Ausgrenzung bestraft werden.

Warum es aber eben auch diese "norm violaters" gibt, die ja so notwendig sind für die kulturelle Weiterentwicklung, das dürfte noch wenig durch die Evolutionäre Psychologie erklärt sein. Sie zahlen einen hohen Preis und mitunter ist ihr Tun getragen von hohem Altruismus.
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1. Henkel, J. (2018): Rezension von: Joseph Henrich’s: The secret of our success - how culture is driving human evolution, domesticating our species, and making us smarter. Journal of Bioeconomics. doi:10.1007/s10818-018-9275-1
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Donnerstag, 13. September 2018

Die schwedischen Wikinger - Sie kauften und raubten ihre Sklavinnen aus ganz Europa

Die schwedischen Wikinger - Sie kauften und raubten ihre Sklavinnen aus ganz Europa

32 Skelette aus der frühmittelalterlichen, wikingerzeitlichen schwedischen Königsstadt Sigtuna (10. bis 12. Jahrhundert) wurden per Ancient-DNA-Analyse untersucht. Bei sechs von ihnen konnten blonde Haare und blaue Augen festgestellt werden. Ansonsten lautet das Ergebnis (2):

"The genetic diversity in the late Viking Age was greater than the genetic diversity in late Neolithic and Bronze Age cultures (Unetice and Yamnaya as examples) and modern East Asians; it was on par with Roman soldiers in England but lower than in modern-day European groups."

Die genetische Herkunftsvielfalt der Einwohner dieser Wikingerstadt ist also mit derjenigen der römischen Soldaten an den Grenzen des Römischen Reiches vor der Völkerwanderung zu vergleichen. Sie war höher als sie nachfolgend in vielen Jahrhunderten in Europa war, höher ebenfalls als im heutigen Ostasien.

Sigtuna liegt 50 Kilometer nördlich von Stockholm im Inland, ist aber über Wasserwege mit der Ostsee verbunden. Sigtuna gilt als die älteste Stadt Schwedens. Man wird annehmen, daß eine solche Stadt - ebenso wie andere Städte des europäischen Frühmittelalters - eine viel höhere ethnische Vielfalt aufwies als es schon die nähere, umliegende ländliche Region getan haben wird.

70 % der untersuchten Frauen, aber nur 44 % der Männer waren nach der Studie nicht-schwedischer Herkunft. Man darf also weiterhin davon ausgehen, daß die Wikinger vor allem Frauen von ihren Handels- und Raubzügen mitgebracht haben. Das war ja auch schon von Island bekannt und paßt inzwischen in ein allgemeineres weltgeschichtliches Muster.

Einige Frauen stammten aus der wikingischen Königsstadt Novgorod der "Rus", worauf auch schon die beigegebene Keramik verwiesen hatte. Einige stammten aus Litauen, andere aus Norddeutschland, wiederum andere aus England und der Ukraine. Dies wird deutlich in der Hauptkomponenten-Analyse (s. Abb.).
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1. https://ars.els-cdn.com/content/image/1-s2.0-S0960982218308443-gr2_lrg.jpg
2. Genomic and Strontium Isotope Variation Reveal Immigration Patterns in a Viking Age Town. By MajaKrzewińska, Current Biology, 2018, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982218308443
3. Wikingerstadt Sigtuna war kosmopolitisch. In: Damals.de, 2018, https://www.wissenschaft.de/geschichte-archaeologie/wikingerstadt-sigtuna-war-kosmopolitisch/

Dienstag, 11. September 2018

Schizophrenie in Asien anders evoluiert als in Europa

Schizophrenie in Asien anders evoluiert als in Europa

Die meisten genetischen Risikofaktoren für Schizophrenie treten jeweils nur in einer Rasse auf, entweder bei den Ostasiaten oder bei den Europäern, selten gemeinsam.
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1. GWAS‐identified schizophrenia risk SNPs at TSPAN18 are highly diverged between Europeans and East Asians. By Jiewei Liu, Ming Li , Bing Su; First published: 17 June 2016 https://doi.org/10.1002/ajmg.b.32471
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/ajmg.b.32471?campaign=woletoc#.W5eqzaBWxkA.google_plusone_share

Montag, 10. September 2018

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Die furchtbarste aller Zeiten
Wie das Leben auf der Erde 80 Millionen Jahre Katastrophen überlebte

So lautet auf Deutsch übersetzt ein neuer Buchtitel (1). Das Buch handelt von dem Leben auf dem Superkontinent Pangea in den 80 Millionen Jahren zwischen dem Mittleren Perm und dem Mittleren Jura. Es handelt von aufeinanderfolgenden Massenausterbe-Ereignissen, die wiederholt und synchron aufgetreten sind in der Zeit vor 254 Millionen Jahren bis in die Zeit vor 166 Millionen Jahren (2, 3). Nachdem diese Aussterbe-Ereignisse behandelt worden sind, wird in dem Buch auch ein Ausblick gegeben auf die nachfolgenden Aussterbe-Ereignisse in der Evolution.

Die hier zu Rate gezogene Rezension macht nicht klar, ob das Buch auch allgemeinere theoretische, bzw. sogar philosophische Schlußfolgerungen aus den gewonnenen Erkenntnissen zieht, etwa dahingehend, ob bei dem bisherigen Kenntnisstand es noch Sinn macht, die neodarwinische Evolutionstheorie als alleinige Erklärung für Evolution überhaupt heranzuziehen. Angesichts der Begeisterung des Rezensenten scheinen solche aber doch in dem Buch enthalten zu sein.

Schreckliche - krokodilartige - Reptilien lebten im Perm auf der Erde. Im Jura wurden sie abgelöst von den Dinosauriern, die ja eigentlich um nichts weniger schrecklich waren. Auf Wikipedia, insbesondere auf dem englischen kann man sich schon ein wenig mit den Themen vertraut machen, die bezüglich dieser Erdepochen wissenschaftlich zu behandeln sind.

Das Massenaussterbe-Ereignis an der Grenze zwischen Perm und Trias gilt als das größte der Erdgeschichte. Seine Ursachen werden in der Wissenschaft noch heftig erörtert. Es ist ein Meteoriten-Einschlag in der Antarktis als zumindest eine seiner Ursachen postuliert worden.
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1. William Gearty: Rez. von: The Worst of Times: How Life on Earth Survived Eighty Million Years of Extinctions by Paul B. Wignall, in The Quarterly Review of Biology, Dezember 2016, https://www.journals.uchicago.edu/doi/abs/10.1086/689493
2. https://de.wikipedia.org/wiki/Perm_(Geologie)
3. https://de.wikipedia.org/wiki/Jura_(Geologie)
4. https://en.wikipedia.org/wiki/Permian
5. https://en.wikipedia.org/wiki/Jurassic
https://www.journals.uchicago.edu/doi/abs/10.1086/689493

Sonntag, 9. September 2018

Als die Goten neue Gene nach Rußland brachten (100 v. Ztr.)

Als die Goten neue Gene nach Rußland brachten (100 v. Ztr.)

Die These, daß sich ost-skythische Völker aus der Altai-Region um 900 v. Ztr. nach Westen ausgebreitet hätten und die west-skythischen Völker nördlich des Schwarzen Meeres verdrängt hätten, wird in einer neuen Ancient-DNA-Studie nicht bestätigt (1). Nach dieser neuen Studie weisen die Skythen in der Ukraine genetische Kontinuität auf von der Yamnaja-Kultur an (2.800 v. Ztr.) bis in die Zeit, als sie (um 100 v. Ztr.) von den Goten von Schweden aus unterworfen wurden. Erst mit den Goten kam eine neue Genetik in die Ukraine, und zwar eine eher nordwesteuropäische.

Der bisherige Eindruck der Archäologen, daß ost-skythische Völker sich um 900 v. Ztr. nach Westen ausgebreitet hätten, könnte also darauf beruhen, daß Kultur und Lebensweise der Ost-Skythen von den West-Skythen übernommen worden waren, ohne daß sich dabei die deutlich Turkvolk-nähere Genetik der Ost-Skythen gleichzeitig mit ausgebreitet hätte.

Archäologisch wird die Ausbreitung der Goten in der Ukraine mit der Tschernjachow-Kultur in Verbindung gebracht (2).
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1. Genetic continuity in the western Eurasian Steppe broken not due to Scythian dominance, but rather at the transition to the Chernyakhov culture (Ostrogoths). By Jarve et al., http://eurogenes.blogspot.com/2018/09/isba-2018-abstracts.html
2. https://de.wikipedia.org/wiki/Tschernjachow-Kultur

Der nordeuropäische Menschentypus am Rand des Aussterbens ...

Der nordeuropäische Menschentypus am Rand des Aussterbens ...

Der Übergang zur Seßhaftigkeit und zum Getreideanbau wurde erstmals vor etwa 12.000 Jahren in Südanatolien am Oberlauf von Euphrat und Tigris im Karacadac-Gebirge vollzogen. Von dort breitete sich diese Lebensweise - sicherlich über Geburtenüberschüsse - über den ganzen "fruchtbaren Halbmond", also bis in den Levanteraum und bis in das Tagros-Gebirge des Iran hin aus. Viehzucht aber wurde in den ersten Jahrtausenden noch nicht betrieben, sondern es gab anstelle dessen Massenjagden auf Gazellenherden, die auf ihren jährlichen Nord-Süd-Wanderungen im Frühjahr und im Herbst in großen Kralen gefangen und geschlachtet wurden, und deren Fleisch getrocknet wurde. Diese Subsistenz-Grundlage ermöglichte schon um 7.000 v. Ztr. in diesem Raum Städte mit über 10.000 Einwohnern, wo man in Häusern mit kunstvollem, aufwendigen Terrazzofußboden lebte, und wo man die verstorbenen Stadtdespoten in Form überformter Schädel verehrte ("plastered skulls")!

Erst als die wilden Gazellenherden aufgrund des menschlichen Bevölkerungswachstums zu sehr dezimiert worden waren, wurden sie ab etwa 6.500 v. Ztr. von domestizierten Schafen und Ziegen abgelöst. Das war dies eine Zeit des allgemeinen Kulturumbruchs, auf den weiter unten noch genauer eingegangen werden soll. Die Menschen begannen unter anderem, Keramik anzufertigen. (Die Kulturen davor waren trotz ihrer sonstigen Fortschrittlichkeit: "akeramisch"!) Und mit diesem Kulturumbruch um 6.500 v. Ztr. war verbunden der Übergang zu Seßhaftigkeit, Getreideanbau und Viehzucht auch in Mittel- und Nordanatolien, wo nun auch das Rind domestiziert wurde. Und damit verbunden war zugleich wie so oft bei Kulturumbrüchen - siehe unten - eine Ethnogenese, das Werden eines neuen Volkes, also eines neuen Zusammenhanges zwischen Populationsgenetik und Kultur (1).

Die seßhaften Kulturen Mittel- und Nordanatoliens, die um 6.500 v. Ztr. entstanden sind, waren nun für ihre Zeit außerordentlich fortschrittlich und das - das wissen wir erst seit drei Jahren - nicht nur kulturell, sondern vor allem auch demographisch. Und das hatte weltgeschichtlich bedeutsame Folgen. Von ihnen war deshalb nachfolgend die kulturelle Entwicklung der Weltgeschichte in Europa und Westasien Jahrtausende lang getragen. Sie haben sich demographisch in immer neuen Kulturen, bzw. Völkern bis hoch hinauf nach Skandinavien ausgebreitet, dort schließlich ab 4.100 v. Ztr. als erste vollseßhafte Kultur, genannt Trichterbecherkultur, bzw. bis in die Ukraine, dort schließlich als Kugelamphoren-Kultur, die erstmals von Rindern gezogene Wagen benutzte.

Aber mit der Erfindung des von Rindern gezogenen Wagens und einer damit sicherlich verbundenen Staatlichkeit in Form solcher "Fürstentümer" wie man sie noch lange später etwa in Indien kennen lernen konnte, scheint sich die kultur- und staatenbildende Kraft der anatolisch-neolithischen Völker erschöpft zu haben. Die Zeit, in der sie weltgeschichtlich "führend", dominierend waren, schien auszulaufen.

Der nordeuropäische Menschentypus war an den Rand des Aussterbens gebracht worden

Doch mit der Ausbreitung dieser frühen ackerbautreibenden Kulturen war der nordeuropäische Menschentypus, der zuvor als Jäger und Sammler West- und Osteuropa allein besiedelt hatte, bis an den Rand des Aussterbens gebracht worden! Das wird einem ja erst bewußt, wenn man die Verhältnisse länger auf sich wirken läßt. Also der Menschentypus, in dem es schon spätestens seit 15.000 Jahren (in Sibirien nachgewiesen) blonde Haare und helle Haut gegeben hatte (2). Diese Völker lebten zwar lange Jahrtausende noch als Fischer an Fluß-, See- und Meeresufern als Reliktbevölkerungen inmitten der Bauern mediterraner Herkunft. Aber langfristig waren sie auch - als solche - zum Aussterben verdammt. "Bis auf ein kleines Dorf im Norden Galliens ...."

Nein, nicht im Norden Galliens, aber vielleicht am Oberlauf der Wolga am Südhang des Urals! Denn von dort aus kam es zu einer ungeheuren Gegenbewegung in der Weltgeschichte. Am Oberlauf der Wolga weit draußen in der Steppe, wo die ackerbautreibenden Kulturen mediterraner Herkunft noch nicht hingekommen waren, wohin sich aber - letztendlich von den japanischen Inseln und von China her kommend - schon früher als sonst in Europa Keramik und - damit einhergehend - womöglich auch schon einfacher Hirse-Anbau verbreitet hatte, bildete sich aus der Vermischung kaukasischer Bauern mit osteuropäischen Jägern und Sammlern - anzunehmender Weise in einer sogenannten "Flaschenhals-Population", in der viel Selektion stattfinden kann - ein neues, weltgeschichtlich bedeutsames Volk heraus: die Indogermanen!

Im Osten waren sie benachbart nachmaligen hunnischen und turksprachigen Völkern (die ursprünglich verbreitet waren zwischen Baikalsee und Nordindien). Im Süden waren sie benachbart den ackerbautreibenden Kulturen am Nordhang des Kaukasus und im Westen, in der Ukraine waren sie benachbart der Kugelamphoren-Kultur, die - wie gesagt - von Menschen anatolisch-neolithischer Herkunft getragen war.

Und dieses neue Volk der Indogermanen sollte nachmalig weltgeschichtlich sich als noch bedeutsamer erweisen als das schon behandelte anatolisch neolithische Bauernvolk, das sich um 6.500 v. Ztr. in Mittel- und Nord-Anatolien gebildet hatte. Über die Ausbreitung der Indogermanen ab etwa 3.500 v. Ztr. zunächst nach der Königsstadt Varna im heutigen Bulgarien und dann ebenfalls über ganz Europa bis nach England und Skandinavien ist andernorts schon berichtet worden (2). Von ihnen stammen wir Mittel- und Nordeuropäer heute im Wesentlichen ab.

Aber die eigentliche Ethnogenese der Indogermanen ist noch ebenso wenig gut geklärt wie die Ethnogenese des so bedeutsamen anatolisch-neolithischen Bauernvolkes, das um 6.500 v. Ztr. entstand (und das heute als solches als ausgestorben gelten muß - heute leben in Anatolien Menschen anderer Herkunft). Zur Ethnogese der anatolischen Neolithiker hatte sich aber schon in früheren Ancient-DNA-Studien angedeutet, daß sie zwar den Menschen in Südanatolien genetisch sehr nah standen, aber schon eine gewisse Beimischung von Menschen europäischer Herkunft in sich getragen haben müssen. Und genau diesem Umstand geht eine neue Studie genauer nach (1).

Ihre Ethnogenese beruht zu 90 Prozent auf in Mittelanatolien einheimischen Jäger-Sammler-Populationen. Aber es finden sich bei ihnen kleinere genetische Einflüsse sowohl aus dem iranischen Raum, wie aus dem Levanteraum wie auch aus dem europäischen Raum.

Die neue Studie betont, daß sich der Ackerbau nach Mittelanatolien im Wesentlichen nicht durch die Demographie der südanatolischen Völker ausgebreitet hat, sondern quasi ein eigenständiges "demographisches Regime", eine eigenständige Bevölkerungsweise mit dazugehöriger Kultur und Lebensweise ausgebildet hat, die dann eben weltgeschichtlich so außerordentlich bedeutsam war bis etwa 3.000 v. Ztr..
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1. The first Epipaleolithic Genome from Anatolia suggests a limited role of demic diffusion in the Advent of Farming in Anatolia. By Feldman et al., Abstract auf: http://eurogenes.blogspot.com/2018/07/smbe-2018-abstracts.html
2. Bading, Ingo: Kossinna lacht. http://studgendeutsch.blogspot.com/2017/11/kossinna-lacht-er-lacht-und-lacht-und.html

Dienstag, 4. September 2018

Netzwerk-Analyse - Sie kann aufzeigen, ob eine Erzählung einen realen oder fiktionalen Hintergrund hat

Netzwerk-Analyse - Sie kann aufzeigen, ob eine Erzählung einen realen oder fiktionalen Hintergrund hat
- Als nächstes wird die Bibel untersucht werden ;-)

Mittels Netzwerk-Analyse kann untersucht werden, ob eine erzählte Geschichte reale Verhältnisse erzählt oder ausgedacht wurde. Auf diese Weise wurde erkannt, daß die "Ilias" reale Verhältnisse erzählt. Neuerdings wurde dasselbe für die "Odyssee" nachgewiesen.

Und die Forscher erwarten, daß mittels dieses Prüfsteins in Bälde auch ...... die Bibel untersucht werden wird, also die Geschichten des Alten und Neuen Testaments. Man darf sehr gespannt sein!

Auch könnte einem eine eben solche Analyse des Nibelungenliedes spannend erscheinen, der isländischen Sagas oder der Erzählungen der "Edda". Die altenglische "Beowulf-Saga" ist auf diese Weise schon als vornehmlich fiktional nachgewiesen worden. Und diese Saga ist ja auch sehr verrückt.
http://www.spektrum.de/news/wieso-die-odyssee-auf-wahren-begebenheiten-beruhen-koennte/1588680

Sonntag, 2. September 2018

Genablesung - Unterscheidung der Beeinflussung durch Gene und Umwelt bei eineiigen Zwillingen

Genablesung - Unterscheidung der Beeinflussung durch Gene und Umwelt bei eineiigen Zwillingen

In einer neuen Studie wird anhand des Vergleiches zwischen ein- und zweieiigen Zwillingen, sowie anderen Menschen die genetische Steuerung der Genablesung (Genmethylierung) von der Genablesung, die durch Umwelteinflüsse gesteuert ist, unterschieden. Ein spannendes Forschungsfeld. Am Ende der Studie warnen die Forscher aber deutlich vor Falsch-Interpretationen, bzw. Mißverständnisse hinsichtlich ihrer Ergebnisse (1):

"Social-science and health researchers in search of evidence for environmental effects on the genome should not assume that “epigenetic” equates to “environmental”. Importantly, DNA methylation at sites robustly associated with extrinsic factors such as smoking and BMI can also be under strong genetic control. Our online database provides estimates of the extent to which variable DNA methylation across all sites profiled in this study are under genetic influence."

Wie jeder, der seine eigenen Gene schon hat sequenzieren lassen, weiß, ist das Ausmaß des Einflusses von angeborener Neigung zu Übergewichtigkeit oder Zigaretten-Abhängigkeit und vielem anderen mehr ebenfalls genetisch gesteuert, so daß es nicht verwundern sollte, daß umweltbedingt unterschiedliche Gen-Ablesung dennoch zugleich genetischen Einflußfaktoren unterliegt. Der eine kann angeborenermaßen Zigarettenqualm leichter vertragen, der andere weniger. (Um es grob zu sagen.)
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1. Characterizing genetic and environmental influences on variable DNA methylation using monozygotic and dizygotic twins
Eilis Hannon, Olivia Knox, Karen Sugden, Joe Burrage, Chloe C. Y. Wong, Daniel W. Belsky, David L. Corcoran, Louise Arseneault, Terrie E. Moffitt, Avshalom Caspi, Jonathan Mill
Published: August 9, 2018https://doi.org/10.1371/journal.pgen.1007544,
https://journals.plos.org/plosgenetics/article?id=10.1371/journal.pgen.1007544
https://journals.plos.org/plosgenetics/article?id=10.1371/journal.pgen.1007544

Mittwoch, 29. August 2018

Frühe Ansätze von Arbeitsteilung

Frühe Ansätze von Arbeitsteilung
Bei kleinen Ameisengruppen

Eine neue Studie zum Thema Arbeitsteilung ist erschienen (1). Siehe dazu auch eine Pressemitteilung der Princeton Universität (2). Nach dieser Studie sieht man die Anfänge von Arbeitsteilung schon in "Ameisenvölkern", bzw. besser "-Familien", die keine Königinnen haben, sondern nur sechs bis 16 morphologisch identische Arbeiterinnen umfassen, die sich alle gleichzeitig fortpflanzen.

"As groups got larger … tasks, like foraging and nursing, being more consistently performed and less neglected".

Eine bessere Gruppen-Fitneß kann aber auch schon erreicht werden allein durch das Wachstum der Gruppengröße und - auf dieser niedrigen Stufe - noch ganz ohne zusätzliche Arbeitsteilung. Im übrigen bedarf es hier keiner "elitären" Figuren, um sich arbeitsteilig zu organisieren, wie die Forscher sagen. Das funktioniert über Selbstorganisation.
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1. Ulrich, Y., Saragosti, J., Tokita, C. K., Tarnita, C. E., & Kronauer, D. J. C. (2018). Fitness benefits and emergent division of labour at the onset of group living. Nature. doi:10.1038/s41586-018-0422-6, sci-hub.tw/10.1038/s41586-018-0422-6
2. Ant-y social: Successful ant colonies hint at how societies evolve
Liz Fuller-Wright, Aug. 23, 2018, https://www.princeton.edu/news/2018/08/23/ant-y-social-successful-ant-colonies-hint-how-societies-evolve
https://www.princeton.edu/news/2018/08/23/ant-y-social-successful-ant-colonies-hint-how-societies-evolve

Donnerstag, 23. August 2018

Getreide-Monokultur ist natürlich

Getreide-Monokultur ist natürlich
Der Mensch hat sie seit 10.000 Jahren als natürliche Lebensweise von Getreide nachgeahmt

Auf die Frage, warum wir heute zu so großen Teilen von Getreide leben und warum unsere ganze Zivilisation seit 10.000 Jahren auf Getreide beruht, scheint in diesen Monaten wieder eine recht spannende neue Teilantwort gefunden worden zu sein (1).

Die Wildgetreidearten, also die wilden Grasarten des Vorderen Orients, von denen unsere domestizierten Getreidearten abstammen, gehören zu den 1 % aller Gräser weltweit, die schon im Naturzustand die größten Samen haben. Das ist schon länger bekannt und konnte ein wenig verwirren. Der Grund dafür kann nun aber auf natürliche Umstände - nicht auf menschliche Einflüsse - zurück geführt werden (1). Bislang hatte man dafür auch noch diffuse menschliche Einflüsse für möglich gehalten.

Es handelt sich bei den Vorfahren der domestizierten Getreidearten um einjährige Pflanzen, die sich gegenüber konkurrierenden einjährigen Pflanzen dann leichter durchsetzen können, wenn sie größere Samen und Grannen haben und wenn sie zugleich Alleindominanz ("Monodominance") in ihrem Lebensraum haben, also aufgrund ihrer großen Samen konkurrierende Grasarten ganz verdrängen, schon natürlicherweise.

Mit dieser Einsicht scheint die "Broad spectrum"-Annahme, also die Annahme, daß der Übergang zum Ackerbau aufgrund der Nutzung eines breiten Spektrums vielfältigster Pflanzenarten sich vollzogen hat, die im Lebensraum der ersten ackerbautreibenden Kulturen vorkamen, ihre Alleinherrschaft zu verlieren. Monokultur, so unnatürlich sie uns auch vorkommen mag streckenweise, scheint doch auch eine Grundlage unserer ganzen Zivilisation zu sein, und zwar natürlicherweise.

1. A natural adaptive syndrome as a model for the origins of cereal agriculture. David Wood, Jillian M. Lenné, http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/285/1875/20180277?etoc
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/285/1875/20180277?etoc

Dienstag, 21. August 2018

Erfindung der Keramik in Japan, 14.000 v. Ztr.

Erfindung der Keramik in Japan, 14.000 v. Ztr.
In Zusammenhang mit Fischfang

Wie neulich schon ausgeführt, waren die Ur-Japaner, die Jomon-Kultur, und die Andamesen auf den Andamanen-Inseln genetisch ein Volk. Nun findet sich die älteste Keramik weltweit auf den japanischen Inseln in eben derselben Jomon-Kultur (1). Es gibt erste archäologische Hinweise, Vermutungen, daß sich die Keramik von dort über ganz Osteuropa bis zur Ertebolle-Kultur an der Ostsee ausgebreitet hat, daß also auch das Ursprungsvolk der Indogermanen ihrer Keramik aus Osten bekommen haben.

Nun zeigt eine neue Studie (2) auf, daß die Jomon-Keramik schon vor mehr als 12.000 Jahren und dann über viele Jahrtausende in Japan hauptsächlich genutzt wurde, um den Fischfang des Meeres aufzubewahren und zu kochen.

Eine parallel erschienene neue Studie (3) zeigt auf, daß Brot im Vorderen Orient schon von den Erntevölkern des Natufiums gebacken wurde, 12.000 v. Ztr.. Somit erhalten viele Entwicklungen, die man bislang erst dem Übergang zur Vollseßhaftigkeit selbst zuschrieb, allmählich einen langen Vorlauf. Die Erntevölker haben Wildgetreide Jahrtausende lang nur geerntet, nicht angebaut.

1. https://en.wikipedia.org/wiki/J%C5%8Dmon_pottery
2. The impact of environmental change on the use of early pottery by East Asian hunter-gatherers. http://www.pnas.org/content/115/31/7931?etoc=
3. Archaeobotanical evidence reveals the origins of bread 14,400 years ago in northeastern Jordan. http://www.pnas.org/content/115/31/7925?etoc=
https://en.wikipedia.org/wiki/J%C5%8Dmon_pottery

Donnerstag, 2. August 2018

Jonathan B. Losos’ Evolutionsbuch „Glücksfall Mensch“


Die Vorhersehung des Unwahrscheinlichen
In der Evolution

Wieder einmal ist die Übersetzung eines englischsprachigen Wissenschaftsbuches über Grundfragen der Evolution erschienen mit einem irreleitenden Titel.

Die englische Originalausgabe erschien mit dem Titel "Improbable Destinies - Fate, Chance and the Future of Evolution" (2017). Autor ist der Eidechsen-Forscher Jonathan B. Losos. Der Titel mag sich locker auf Richard Dawkins Buch "Climbing Mount Improbable" (1996) bezogen haben, das ins Deutsche korrekt übersetzt wurde mit "Gipfel des Unwahrscheinlichen" (1999), und das das alleinige Prinzip Zufall in der Evolution die Gipfelpunkte des Unwahrscheinlichen erklimmen sah. Dawkins argumentiert diesbezüglich aber längst differenzierter als in seinem Buch von 1996 (nämlich in "Geschichten vom Ursprung des Lebens" (2008) engl. "The Ancestor’s Tale - Pilgrimage to the Dawn of Life" (2004).

Das neue Buch nun könnte zu Deutsch etwa heißen: _"Die Vorhersehung des Unwahrscheinlichen - Schicksal, Zufall und die Zukunft der Evolution" (2018). So hätte eine einigermaßen korrekte Übersetzung heißen können. Tatsächlich aber lautet die deutsche Ausgabe aber "Glücksfall Mensch - Ist Evolution vorhersagbar?", was sich wiederum auf das Buch "Zufall Mensch" von Stephen Jay Gould beziehen könnte.

Nun gibt es Rezensionen zu diesem Buch, die betitelt sind "Die Evolution würfelt" (1), dabei steht schon im Klappentext "dass die Evolution nicht würfelt". Eine andere Rezension spricht schon passender von "Die begrenzten Möglichkeiten der Evolution" (2). Am Richtigsten scheint mir die Rezension in der FAZ von dem von mir oft geschätzten Thomas Weber den Inhalt zu treffen, wenn er sagt (3):

"Losos nimmt, auch im Licht solch komplexer experimenteller Befunde, in der Debatte zwischen Stephen Jay Gould und Simon Conway Morris eine mittlere Position ein - er betrachtet Evolution auf kurze Sicht als vorhersagbar. Diese Einschätzung wird beispielhaft von seinen eigenen Arbeiten an Eidechsen unterstützt."

Aus allem wird jedenfalls erkennbar, daß es sich um ein sehr ernsthaftes, differenziert argumentierendes Buch handelt, das zu lesen sich sehr lohnen dürfte.

1. https://www.wissenschaft.de/rezensionen/buecher/die-evolution-wuerfelt/
2. https://www.deutschlandfunkkultur.de/jonathan-b-losos-gluecksfall-mensch-die-begrenzten.950.de.html?dram:article_id=412553
3. http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/jonathan-b-losos-evolutionsbuch-gluecksfall-mensch-15527947.html

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/jonathan-b-losos-evolutionsbuch-gluecksfall-mensch-15527947.html

Freitag, 20. Juli 2018

Der Übergang zum anatomisch modernen Menschen vor 300.000 bis 100.000 Jahren auf dem afrikanischen Kontinent

Der Übergang zum anatomisch modernen Menschen vor 300.000 bis 100.000 Jahren auf dem afrikanischen Kontinent
Das Ringen archaischerer mit moderneren Lebensformen

Die ältesten Vorfahren des anatomisch modernen Menschen, die 300.000 Jahre vor heute in Nordafrika lebten, wie man erst seit kurzem weiß, hatten, so führt eine neue Studie aus (1), eine Gesichtsmorphologie und Gehirngröße, die schon sehr ähnlich unserer heutigen war, allerding war ihre Kopfform mehr verlängert als so kugelförmig wie bei uns heute. Man könnte das als einen auffälligen Befund ansprechen! Warum verlängert statt rund???

Jedenfalls legt er die Vermutung nahe, so schreiben die Forscher (1), daß die Gehirnform und -funktion in den nächsten 200.000 Jahren noch weiter evoluieren mußten, um all das zu erreichen, was den anatomisch modernen Menschen seit etwa 100.000 Jahren ausmacht.

In Südafrika und Äthiopien waren deutlich jüngere Vorfahren des anatomisch modernen Menschen morphologisch noch viel vielfältiger gestaltet als jene genannten in Nordafrika, was manche Forscher bis heute dazu veranlaßte, sie sogar als anderen Vormenschen-Arten zugehörig anzusprechen. Beispielsweise gab es dort deutlich robustere, längere Gesichtsformen kombiniert mit runder, moderner Schädelform. Alle Merkmale des anatomisch modernen Menschen waren somit erst ab etwa 100.000 Jahren vor heute in Afrika versammelt.

Vielleicht hat also, so darf vermutet werden, schon vor 300.000 Jahren eine "avantgardistische" Menschengruppe vor allem in Nordafrika (?) schon vergleichsweise früh eine sehr modern-menschliche Art des Lebens angenommen, auch gehirnmäßig, hatte sich aber als solche evolutionär noch nicht so stabilisiert, so daß der evolutionäre Übergang dorthin dann doch noch einmal weitere 200.000 Jahre brauchte, um sich zu "stabilisieren" gegenüber Tendenzen archaischerer menschlicher Lebensformen.

Solche Zeitverzögerungen beim Durchsetzen moderner Lebensformen beobachtet man ja in der Evolution sehr häufig (Dinosaurier behielten noch lange die Vorherrschaft, als es Säugetiere schon längst gab usw.). Ebenso beobachtet man sie in der Kulturgeschichte der Menschheit sehr häufig: Die aufgeklärte Lebensform des antik-griechischen Menschen erlebte einen gewaltigen Rückschlag mit der Ausbreitung des bigott-christlichen Mittelalters und hat noch heute Mühe, sich gegen solche archaischeren Formen der Gestaltung der Gesellschaft und Kultur durchzusetzen.

So war es also womöglich auch schon vor 300.000 Jahren in Afrika. Und das würde sehr gut passen zur "Runaway Selction"-Evolution konkurrierender Gruppen, die der geniale Evolutionsbiologe Richard D. Alexander (geb. 1930) schon 1989 vorgeschlagen hatte, um Die Evolution der menschlichen Psyche zu erklären (2).

Original: "Extant human crania are characterized by a combination of features that distinguish us from our fossil relatives and ancestors, such as a small and gracile face, a chin, and a globular braincase. However, these typical modern human features emerge in a mosaic-like fashion within the H. sapiens clade. The oldest currently recognized members of the H. sapiens clade, from Jebel Irhoud in North Africa, have a facial morphology very similar to extant H. sapiens, as well as endocranial volumes that fall within the contemporary range of variation. However, their braincase shapes are elongated rather than globular, suggesting that distinctive features of brain shape, and possibly brain function, evolved within H. sapiens. Other early H. sapiens fossils from Florisbad in South Africa (~260 ka), Omo Kibish (~195 ka) and Herto (~160 ka), both in Ethiopia, are morphologically diverse. This diversity has led some researchers to propose that fossils such as Jebel Irhoud and Florisbad actually represent a more primitive species called ‘ H. helmei ’ , using the binomen given to the Florisbad partial cranium in 1935. In a similar vein, the fossil crania from Herto, which combine a relatively globular braincase with a robust occipital and large face, were described as the subspecies H. sapiens idaltu because they fall outside the variation of recent humans. However, we view H. sapiens as an evolving lineage with deep African roots, and therefore prefer to recognize such fossils as part of the diversity shown by early members of the H. sapiens clade. The full suite of cranial features characterizing contemporary humans does not appear until fairly recently, between about ~100 – 40 ka."

1. Did Our Species Evolve in Subdivided Populations across Africa, and Why Does It Matter?. Trends in Ecology & Evolution, 2018, Available from: https://www.researchgate.net/publication/326408394_Did_Our_Species_Evolve_in_Subdivided_Populations_across_Africa_and_Why_Does_It_Matter [accessed Jul 20 2018].
2. Alexander, Richard D.: The evolution of the human psyche. In The Human Revolution, C. Stringer and P. Mellars (eds), Univ. of Edinburgh Press 1989, pp. 455-513. http://rdalexander.qwriting.qc.cuny.edu/files/2018/05/Alexander89.pdf
https://www.researchgate.net/publication/326408394_Did_Our_Species_Evolve_in_Subdivided_Populations_across_Africa_and_Why_Does_It_Matter

Donnerstag, 19. Juli 2018

1900 v. Ztr. - Sibirische Jäger und Sammler wandern nachOst-Skandinavien ein

Forschungen zur Entstehung und Ausbreitung der finno-ugrischen Völkergruppe

Schon um 1.900 v. Ztr. haben sich Menschen mit der Genetik sibirischer Jäger/Sammler aus dem Ural bis nach Karelien, in die Kola-Halbinsel (also die Gegend von Murmansk) und in das heutige Finnland ausgebreitet.

Abb. 1: Das Verbreitungsgebiet der uralischen Sprachen (Grafik von Maximilian Dörrbecker [Chumwa]) (Wiki)

In einer Preprint-Studie vom März dieses Jahres (1) wurde die DNA von sechs Skeletten aus der Gegend von Murmansk aus der Zeit um 1.500 v. Ztr. untersucht, zusammen mit der DNA von sieben Skeletten aus Westfinnland aus der Zeit 400 bis 800 n. Ztr.. Obwohl letztere Gruppe also 2.000 Jahre jünger war, unterschied sie sich von der ersteren Gruppe genetisch kaum! Beide sind genetisch deutlich sibirischer Herkunft.

Die Forscher, unter denen sich der Begründer der AncientDNA-Forschung, der schwedische Finne Svaante Pääbo befindet, schreiben (1):
"Our results suggest that a new genetic component with strong Siberian affinity first arrived in Europe around 4,000 years ago, as observed in our oldest analysed individuals from northern Russia, and that the gene pool of modern north-eastern Europeans in general, and speakers of Uralic languages in particular, is the result of multiple admixture events between Eastern and Western sources since that first appearance."
Daß diese sibirische genetische Komponente in Karelien nicht einheimisch sein kann, wird folgendermaße ausgeführt (1): 
"The component is absent in the Karelian hunter-gatherers (EHG) ​dated to 8,300-7,200 yBP as well as Mesolithic and Neolithic populations from the Baltics from 8,300 yBP and 7,100-5,000 yBP respectively ."
Also bislang hat man Menschen sibirischer genetischer Herkunft in Ostskandinavien in der Zeit vor 3.000 v. Ztr. noch nicht gefunden. Das heißt, Menschen mit dieser Genetik dürften in diese Region erst zwischen 3.000 und 1.500 v. Ztr. zugewandert sein. Das läßt sich mit archäologischen Erkenntnissen in Deckung bringen (1): 
"Such contact is well documented in archaeology, with the introduction of asbestos-mixed Lovozero ceramics during the second millenium BC, and the spread of even-based arrowheads in Lapland from 1,900 BCE. Additionally, the nearest counterparts of Vardøy ceramics, appearing in the area around 1,600-1,300 BCE, can be found on the Taymyr peninsula, much further to the east."
Wohlgemerkt: Die Taimyr-Halbinsel befindet sich mindestens 5000 Kilometer weiter im Osten! Weiter (1):
"Finally, ​the Imiyakhtakhskaya culture from Yakutia spread to the Kola Peninsula during the same period."
Und wohlgemerkt: Die Kola-Halbinsel (also die Murmansk-Region) ist von dem hier erwähnten sibirischen Jakutien 9.000 Kilometer entfernt. So weit also scheinen die damaligen sibirischen Stämme nach Westen gewandert zu sein und uralische Sprachen mitgebracht zu haben. Mit den Hunnen wanderte in der Völkerwanderung ab 375 v. Ztr. übrigens ein uralsprachiges Volk nach Ungarn, das die ungarische Sprache bestimmte, weshalb es diesen Ausreißer der uralischen Sprachen bis heute in Ungarn gibt (1).

Im allgemeinen scheinen sich die genetischen und archäologischen Erkenntnisse mit denen der Sprachforschung zu decken (2) (auch wenn das die Forscher in der Studie noch anders wahrzunehmen scheinen). Für die Trennung der einzelnen Sprachgruppen ist nach Wikipedia tatsächlich ein Zeitpunkt um 2.000 v. Ztr. im Gespräch. Wie auch immer (2): 
"As shown in our analyses, the admixture patterns found in historic and modern Uralic speakers are complex and in fact inconsistent with a single admixture event. Therefore, even if the Siberian genetic component partly spread alongside Uralic languages, it likely presented only an addition to populations carrying this component from earlier." 
Auch wird ausgeführt, daß das genetische und sprachliche Verbreitungsgebiet der uralischen Völker (auch abgesehen von den Ungarn) früher deutlich weiter nach Süden reichte. Die DNA wurde in Ancient-DNA-Laboren in Tübingen und Mainz sequenziert.

Wenn davon ausgegangen wird, daß der germanische Gott Odin/Wotan fremder, östlicher Herkunft ist, könnte er also sowohl aus den ugrischen Völkern stammen wie aus den Turkvölkern.
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  1. Thiseas Christos Lamnidis et. al. (u.a. Svante Pääbo, Wolfgang Haak, Johannes Krause, Stephan Schiffels): Ancient Fennoscandian genomes reveal origin and spread of Siberian ancestry in Europe. 22.3.2018, https://www.biorxiv.org/content/early/2018/03/22/285437
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Uralische_Sprachen

Mittwoch, 18. Juli 2018

Weihgaben für die Sonnen-Gottheit

Weihgaben für die Sonnen-Gottheit
Abgelegt in der freien Natur mit Blick zum Sonnenaufgang bei der Wintersonnenwende

Sorgfältig ausgewählte Bronze-Gegenstände wurden in der Frühen Bronzezeit in Schottland an auffallenden Orten innerhalb der Landschaft als Weihgaben für die Gottheit niedergelegt. Mehr als die Hälfte dieser Orte hatten direkte Sicht auf den Punkt des Sonnenaufgangs oder Sonnenuntergangs zur Winter- oder Sommersonnenwende.

Die Beobachtung von Sonnenauf- und -untergang an markanten Punkten in der Landschaft spielt ja auch eine zentrale Rolle bei der Himmelsscheibe von Nebra (2). Der Schwerpunkt scheint auf der Wintersonnenwende gelegen zu haben.

In einer früheren archäologischen Studie war schon dargelegt worden, daß diese Bronzegegenstände immer an hervorgehobenen Punkten der Landschaft niedergelegt worden waren, an landschaftlich schönen Punkten, auch in Grenzbereichen von Landschaften (etwa am Übergang von Ackerland zu Weideland) (3).

Wenn es solche Sitten von Sachsen-Anhalt bis hinauf nach Schottland gegeben hat in der Frühen Bronzezeit, dann wird deutlich, von welcher Sehnsucht nach der Sonne die Menschen dieser Zeit beseelt gewesen sein müssen, welche Verehrung sie ihr zugedacht haben müssen. Und in diese Verehrung reiht sich natürlich der "Sonnenwagen von Trundholm" (4) hervorragend ein.
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1. The Placing of Early Bronze Age Metalwork Deposits: New Evidence from Scotland. By Richard Bradley, Chris Green, Aaron Watson. First published: 01 February 2018, Oxford Journal of Archaeology, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/ojoa.12135?campaign=woletoc&
2. https://de.wikipedia.org/wiki/Himmelsscheibe_von_Nebra
3. Bading, Ingo: Menschen aus der Bronzezeit hatten ein Auge für die Landschaft. 13.2.2018, https://plus.google.com/+IngoBading/posts/LzyU4J9NFgR
4. https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenwagen_von_Trundholm
5. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b4/Fragonard_aurore.jpg
https://de.wikipedia.org/wiki/Himmelsscheibe_von_Nebra

Die Ziege

Die Ziege
Domestiziert in mehreren Regionen des Vorderen Orients während des Neolithikums

Auf der Grafik (1) ist sichtbar, daß allein im heutigen Iran offenbar drei verschiedene Ursprungspopulationen von Ziegen domestiziert wurden während des vorkeramischen Neolithikums:

Eine im westlichen Zagros-Gebirge (rosa Raute), eine (vielleicht) an den Südhängen des Kaukasus (blaue Raute), eine vielleicht an den Nordhängen des Kaukasus (grüne Raute). Andere Ursprungspopulationen befinden sich aber außerdem auch noch im Levanteraum, in Südanatolien und auf der griechischen Halbinsel. Dort wo selbstständige Domestikation stattfindet, wird man jeweils sicher auch von innovativeren, eigenständigen menschlichen Kulturen ausgehen dürfen.

Die Forscher schreiben dazu, daß sich ja auch die dazu gehörigen anatolisch-neolithischen und die iranisch-neolitschen Bauern genetisch recht deutlich voneinander unterscheiden - wie ihre Ziegen (1).

Nach dem Neolithikum breitet sich dann eine genetisch vergleichsweise einheitliche Ziegenpopulation offenbar noch ganz anderer Herkunft über den gesamten Raum hinweg aus (Haplogruppe A).
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1. Kevin G. Daly et. al.: Ancient goat genomes reveal mosaic domestication in the Fertile Crescent. Science 06 Jul 2018: Vol. 361, Issue 6397, pp. 85-88, DOI: 10.1126/science.aas9411 http://science.sciencemag.org/content/361/6397/85.full
https://d2ufo47lrtsv5s.cloudfront.net/content/sci/361/6397/85/F1.large.jpg

Die Ur-Japaner und die Andamesen

Die Ur-Japaner und die Andamesen
Sie waren ein Volk

Die frühesten anatomisch modernen Menschen in Südostasien, das erste Volk, das Indonesien, Vietnam, die Andamanen und Japan besiedelte, waren laut neuesten Ancient DNA-Studien die neuerdings von der Wissenschaft so genannten "Hòabìnhier" (engl. "Hòabìnhians") (1-4). Sie haben als Jäger und Sammler - vergleichbar zu den sibirischen Jägern und Sammlern oder den west-, bzw. osteuropäischen Jägern und Sammlern oder den skandinavischen Jägern und Sammlern - vor der Ausbreitung ackerbautreibender Kulturen ein sehr weites Verbreitungsgebiet gehabt.

Die heutigen "Onge-Negritos" auf den Andamanen-Inseln und (!!!) die ursprünglichsten Bewohner Japans (die sogenannte Jo ̄mon-Kultur) (~10,000 bis 500 v. Ztr.) (5) standen, bzw. stehen diesen frühesten anatomisch modernen Menschen Südostasiens, den "Hòabìnhiern", genetisch am nächsten. Daß es eine solche enge genetische Verwandtschaft zwischen der berühmten und zum Teil rätselhaften Jomon-Kultur Alt-Japans und den Andamanen-Inseln gab, davon war bislang wohl nur in ersten Andeutungen etwas bekannt (ich hatte es bislang gar nicht mitbekommen) (6):

"The only places outside Japan in which Y-haplogroup D is common are Tibet in China and the Andaman Islands in the Indian Ocean."

Womöglich können also auch die Tibeter ihre Herkunft auf diese "Hòabìnhier" zurückführen.

Interessanterweise unterscheiden sich die Ureinwohner Papua-Neuguineas und die Ureinwohner Australiens deutlicher von diesen sogenannten "Hòabìnhiern".

In einem neuen zusammenfassenden Bericht über die beiden neuesten Ancient-DNA-Studien (zeitgleich eine dänische von der Forschungsgruppe um Willerslev und eine US-amerikanische von der Gruppe um David Reich) zur genetischen Geschichte Südostasiens heißt es (2):

"The majority opinion is that an original Pleistocene hunter-gatherer population, descended from the first Homo sapiens more than 50,000 years ago, once occupied Southeast Asia, Australia, and New Guinea. During the Southeast Asian Neolithic, starting ∼5000 to 4500 years ago, there was an expansion of Asian farmers of southern Chinese origin. This Neolithic migration progressed southward into mainland Southeast Asia and Indonesia, and after 3000 years ago, eastward into the Micronesian and Polynesian regions of Oceania. The Neolithic migration generally ceased in eastern Indonesia before Australia and the interior of New Guinea were reached. The studies of McColl et al. and Lipson et al. support this two-layer viewpoint in full and also add further detail."

Und hochgradig spannend wird - wie schon berichtet - ausgeführt (2):

"Ancient DNA genomes from the original hunter-gatherer populations of the Southeast Asian mainland, called Hòabìnhians by archaeologists and sampled by McColl et al ., are most similar to those of modern Onge negritos of the Andaman Islands and to the Jo ̄mon [early- and mid-Holocene (~12,000 to 2500 years ago), pre-Japanese] inhabitants of Japan. These Hòabìnhians were genomically less closely related to modern Australians and Papuans, doubtless reflecting the distance between mainland Southeast Asia and Australasia, and the many intervening water barriers in eastern Indonesia, beyond the Ice Age Sundaland continent that extended eastwards to Borneo and Bali."

Und (2):
"The movement of Neolithic populations from southern China commenced as two separate migrations. One, ancestral to modern speakers of Tai and perhaps also Austroasiatic languages (the latter including Khmer and Vietnamese), spread by land into mainland Southeast Asia. Along with it spread rice, millets, and domesticated pigs and dogs. The other, ancestral to speakers of Austronesian languages such as Malay and Hawaiian, spread by sea into Taiwan, later the Philippines, and onward into Indonesia and Oceania, again carrying a cultural component of food production."

Und (2):
"Mainland Southeast Asian populations such as Tais and Vietnamese Kinh received, perhaps unsurprisingly, another layer of quite heavy gene flow from China starting around 2500 years ago. This was when the Warring States and
subsequent Qin and Western Han (206 BCE to 220 CE) Chinese empires conquered southern China and northern Vietnam, imposing Sinitic (Han) settlement, languages, and literacy on many of the indigenous Bronze and Iron Age societies to the south."
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1. o.N.: Alte DNA enthüllt Südostasiaten sind direkte Nachkommen von mindestens vier prähistorischen Populationen. Tekk.tv, 11.7.2018, https://www.tekk.tv/wissen/alte-dna-enthuellt-suedostasiaten-sind-direkte-nachkommen-von-mindestens-vier-praehistorischen-populationen/
2. Bellwood, Peter: The search for ancient DNA heads east. Science, 6.7.2018, http://science.sciencemag.org/content/361/6397/31.full
3. H. McColl et al. (Eske Willerslev), Science 361 , 88 (2018), The prehistoric peopling of Southeast Asia
4. M. Lipson et al. (David Reich), Science 361 , 92 (2018), Ancient genomes document multiple waves of migration in Southeast Asian prehistory
5. https://de.wikipedia.org/wiki/J%C5%8Dmon-Zeit
6. https://en.wikipedia.org/wiki/Ainu_people
http://science.sciencemag.org/content/361/6397/31.full

Dienstag, 17. Juli 2018

Menschwerdung

Menschwerdung
Welche Genabschnitte wurden herauf, welche herunter reguliert?

Als Svaante Pääbo vor Jahrzehnten fand, daß Gene im Hoden von Menschen und Schimpansen häufiger unterschiedlich abgelesen werden als im Gehirn von Menschen und Schimpansen, war man überrascht, ja, enttäuscht: So leicht würden sich die genetischen Unterschiede zwischen Mensch und Schimpansen offenbar doch nicht finden lassen, insbesondere auch nicht die DNA-Abschnitte, die den Menschen zum Menschen machen.

Nun aber findet eine neue Studie sogenannte "strukturelle Variationen" (SV) im Genom von Menschen und Schimpansen, die beim Menschen herunterreguliert sind bei der Genablesung und solche, die beim Menschen herauf reguliert sind bei der Genablesung im Gehirn:

"The authors compared sv locations with genes differentially expressed during brain development and found that ~40% of genes downregulated in human radial glial neuroprogenitors were enriched for fixed svs, mainly deletions or insertions. By contrast, genes associated with human-specific segmental duplications showed a pattern of upregulated expression."

Die herunterregulierten strukturellen Variationen waren also, wenn ich es recht verstehe, im wesentlichen Genabschnitts-Verluste oder neu hinzu gefügte Genabschnitte (insertions). Die herauf regulierten strukturellen Variationen waren Segment-Verdoppelungen, also Verdoppelungen von Genabschnitten.

Vielleicht kann man damit die DNA-Abschnitte näher eingrenzen, die den Menschen zum Menschen machen.
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1. Kronenberg, Z. N. et al. High-resolution comparative analysis of great ape
genomes. Science 360 (2018), http://science.sciencemag.org/content/360/6393/eaar6343
2. Linda Koch: What makes us human? Nature Reviews Genetics, https://doi.org/10.1038/s41576-018-0029-7, Published online 206.2018, https://www.nature.com/articles/s41576-018-0029-7
http://science.sciencemag.org/content/360/6393/eaar6343

Schnelle Evolution ist möglich und erklärbar

Schnelle Evolution ist möglich und erklärbar

"All eyes on rapid adaptive evolution", "Alle Augen auf schnelle anpassende Evolution," ist ein neuer Artikel in "Nature Review Genetics" betitelt. Es wurden Fischarten untersucht, die im Verlauf der Evolution ihre Augen verloren haben, da sie sie bei ihrer Lebensweise in Höhlen nicht brauchen (Astyanax mexicanus, Mexican tetra). Außer dem Verlust der Augen gleichen sie ihren nahverwandten Arten, die außerhalb von Höhlen leben. Man konnte aber im Genom selbst keine Mutationen finden, die diesen Verlust der Augen erklären konnte. Erst als man auf das Methylom schaute, also auf die verschaltete ABLESUNG der Gene (durch ihre Methylierung = Abdeckung oder Demethylierung = Anschaltung) schaute, fand man die Erklärung:
"Unsere Ergebnisse zeigen, daß Änderungen in der Methylisierungs-gesteuerten Gen-Unterdrückung der DNA als ein wichtiger molekularer Mechanismus dienen kann, um phänotypische Vielfalt während der Entwicklung und der Evolution zu schaffen."
Original: "Our results show that changes in DNA methylation-based gene repression can serve as an important molecular mechanism generating phenotypic diversity during development and evolution."

1. Koch, Linda: All eyes on rapid adaptive evolution. Nature Reviews Genetics, https://doi.org/10.1038/s41576-018-0027-9, Published online 15.6.2018 Gore, A. V. et al. An epigenetic mechanism for cavefish eye degeneration.
Nat. Ecol. Evol. 2018, https://doi.org/10.1038/s41559-018-0569-4
https://doi.org/10.1038/s41559-018-0569-4

Freitag, 13. Juli 2018

Ein tiefer Blick in die Art und Weise, wie Evolution arbeitet

Ein tiefer Blick in die Art und Weise, wie Evolution arbeitet
Viele Wege zur Konvergenz, aufgezeigt an Stickstoff-bindenden Pflanzensymbiosen im Wurzelbereich

Untersuchungen zu den Ursprüngen der konvergenten Evolution von Stickstoff-bindenden Pflanzensymbiosen im Wurzelbereich, die in unterschiedlichsten Bereichen des Artenstammbaums unabhängig voneinander sehr überraschend auftreten, aber immer auf einen ähnlichen genetischen Hintergrund zurückgreifen, lassen folgende Überlegungen als Schlußfolgerungen zu (1):

"Die Wahrscheinlichkeit von zufälligen parallen Änderungen, die zehn bis hundert Gene in gleichem Maße betreffen, ist so gering, daß vielfache unabhängige Ursprünge als sehr unwahrscheinlich erscheinen müssen. Komplexere Modelle, die tiefe Homologien beinhalten müssen, latente Homologie, Ereignisse, die eine Veranlagung schaffen oder parallele Ko-Optionen von Genen sind vorgeschlagen worden, um die Evolution von phylogenetisch bunt verteilten Merkmalen wie die Stickstoffbindenden Pflanzensymbiosen im Wurzelbereich zu erklären."

Und weiter wird ausgeführt (1):

"Die Augen von Arthropoden und Wirbeltieren sind Lehrbuch-Beispiele für tiefe Homologien. Sie entwickeln sich über größtenteils nichthomologe Mechanismen, aber benutzen dazu homologe Gene für Opsine, entwicklungsmäßige Transkriptions-Faktoren und Photorezeptor-Zellen, die zurückgeführt werden können auf ursprüngliche photosensorische Organe eines Nesseltier- oder Bilateria-Vorfahren. In diesem Fall sind sowohl die Funktion wie die Genetik homolog aber der Beweis dafür ist verwischt durch Abweichungen und/oder Abstammungslinien-spezifische Verfeinerungen, die insgesamt zu einer offensichtlichen Konvergenz führen."

Nebenbei bemerkt haben wir es hier auch wieder mit dem Prinzip Inhärenz zu tun, das von Simon Conway Morris in den Vordergrund des Nachdenkens gestellt wurde wie ich andernorts aufgezeigt habe (2, 3).

Um es also etwas deutlicher zu sagen, wovon hier die Rede ist: Es ist die Rede von der Möglichkeit, daß von Organismen ursprünglich evoluierte Fähigkeiten über weite evolutionäre Zeiträume hinweg in nachfolgenden Arten "abgedeckt" bleiben können, nicht demethyliert werden, nicht im Phänotyp zum Ausdruck kommen, aber in DNS-Bereichen, die unabgedeckt bleiben, konservativ erhalten bleiben und so unter entsprechenden evolutionären Umständen erneut aufgedeckt, abgerufen werden können. Es deutet sich an, daß Evolution so arbeitet, natürlich auch in Zusammenhang mit der Ko-Option von Genen, was bedeutet: Wenn das eine Gen aktiviert wird, wird auch das andere Gen aktiviert in einer Art Kaskade, in einer Art Domino-Effekt.

Daß Evolution unglaublich konservativ arbeitet, geht ja schon aus dem Umstand hervor, daß noch der menschliche Organismus sehr weit zurück reichend evoluierte Fähigkeiten nutzt, die seither nie mehr großartig abgeändert worden sind. Das gilt selbst für Bereiche der Verhaltensgenetik.

Abschließend noch etwas ausführlichere Auszüge im Original (1):
"Convergently evolved traits involving a similar genetic background are hard to explain. Although the multiple-origins model is often the phylogenetically most parsimonious for such traits, the likelihood of parallel changes affecting tens to hundreds of the same genes is so low that multiple independent origins seem implausible. More complex models, involving deep homologies, latent homologies, predisposition events, or parallel co-option of genes have been proposed to explain the Evolution of phylogenetically patchy traits, like NFN symbiosis. Although these have been used to denote various, sometimes overlapping processes, they refer to at least two distinct evolutionary mechanisms. Traits are deeply homologous if homology is not evident at the level of the entire trait but historical continuity of shared function exists for at least some of the genes involved in its development. Arthropod and vertebrate eyes are textbook examples of deep homologies: They develop by largely nonhomologous mechanisms but build on homologous genes, such as opsins, developmental transcription factors, and photoreceptor cells that can be traced back to primordial photosensory organs of a cnidarian or bilaterian ancestor (9). In this case, both function and genetics are homologous, but evidence for this is blurred by divergence and/or lineage-specific refinements, overall leading to apparent convergence."
Und (1):
"Conversely, latent homologies are developmental potentials (for example, gene regulatory circuits) that can be deployed (through co-option or exaptation) for new functions by simple genetic changes. Because a few mutations (for example, in regulatory sequences) are sufficient for their expression in a new context, latent homologies reduce the mutational target size for evolution and can thus promote convergence. Mechanistically, predisposition events can comprise the evolution of latent homologies that, as hypothesized for the NFN clade, lead to a higher likelihood for convergence to occur.
Teasing apart the possible mechanisms behind convergently evolved traits remains a substantial challenge even in the era of genomics. It nevertheless appears that case studies and models are emerging to explain the pervasive occurrence of convergence across the tree of life."
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1. Many roads to convergence. László G. Nagy. Science 13 Jul 2018, Vol. 361, Issue 6398, pp. 125-126, DOI: 10.1126/science.aau2409, http://science.sciencemag.org/content/361/6398/125
2. Bading, Ingo: Ist die biologische Evolution zu Ende? Ausgangsbedingungen, Ablauf und Ende der biologischen Evolution - Sind sie "bedingt" durch ein Ziel? Studium generale, 10. Juli 2016, https://studgendeutsch.blogspot.com/2016/07/ist-die-biologische-evolution-zu-ende_10.html
3. Bading, Ingo: Inhärenz schlägt Selektion - Als zugrunde liegendes Prinzip der Evolution. Oder: Sollte Leben ohne Evolution nicht sehr viel wahrscheinlicher sein? Studium generale, 17. November 2017, https://studgendeutsch.blogspot.com/2017/11/inharenz-schlagt-selektion-als-zugrunde.html
http://science.sciencemag.org/content/361/6398/125

Donnerstag, 12. Juli 2018

Wenn das Gehirn wie eine Mutter denkt

Wenn das Gehirn wie eine Mutter denkt

Spannender Forschungsartikel (1), der deutlich macht, daß so bedeutsame Verhaltensweisen wie Nachkommen-Fürsorge in zentralen Bereichen durch nur einzelne wenige, inzwischen recht gut lokalisierte Gehirnzellen, bzw. kleine Gruppen von Gehirnzellen gesteuert und koordiniert werden.

Es handelt sich zumal um Gehirnzellen, die auch noch andere Funktionen erfüllen wie etwa die Steuerung der Körpertemperatur, bzw. in deren Region solche ganz anderen Funktionen gesteuert werden.

Außerdem arbeiten diese Gehirnzellen in zwei Richtungen, bearbeiten also sowohl "Input" wie "Output", verarbeiten eingehende Information ebenso wie sie diese Information verarbeiten, bzw. daraus gezogene Schlüsse - offenbar - als Handlungsanweisungen nach draußen geben.

1. Mukhopadhyay, Sourish; Stowers, Lisa: Social Behavior: How the Brain Thinks like a Mom. Current biology : CB, ISSN: 1879-0445, Vol: 28, Issue: 13, Page: R746-R749, 2018, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982218306857
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982218306857?_rdoc=1&_fmt=high&_origin=gateway&_docanchor&md5=b8429449ccfc9c30159a5f9aeaa92ffb&dgcid=raven_sd_via_email

Mittwoch, 4. Juli 2018

Alles menschliche Wissen ist "Im Lichte der Evolution" zu betrachten

Alles menschliche Wissen ist "Im Lichte der Evolution" zu betrachten

Der Autor Gerhard Vollmer hat ein neues Buch heraus gebracht, das in der Zeitschrift "Biologie in unserer Zeit" folgendermaßen rezensiert wird (1):

"Hier gilt es, ein epochales Werk vorzustellen. Der Physiker und Philosoph Gerhard Vollmer hat fast 60 Disziplinen zusammengestellt, in denen die Evolution in seinen Augen schon eine wichtige Rolle spielt oder doch einnehmen könnte. Insbesondere behandelt er jene, die am Rande und/oder außerhalb der Biologie liegen. Da die Evolutionstheorie ursprünglich aus der Biologie stammt und die modernen Biowissenschaften aus einer Theorie ein Gebäude festgefügter Fakten geschaffen haben, erhebt sich die Frage, in welchem Maße zum Beispiel Disziplinen wie (evolutionäre) Ästhetik, Didaktik oder Ethik davon beeinflusst werden. Vollmer gibt dazu kluge und detaillierte Auskünfte."

Und (1):

"Der Text gliedert sich in vier Teile: Über Evolution, Darwin in den Wissenschaften (mit etwa 260 Seiten der umfangreichste Teil), Darwin und Philosophie sowie Darwin in der Philosophie. Der Rezensent ist beeindruckt von der überzeugenden Gedankenführung, von der Sachkenntnis des Autors und seiner klaren Analyse."

Es ist sofort klar, daß hier ein wichtiges Buch vorgelegt wurde. Es dürfte Edward O. Wilson's "Einheit des Wissens" ersetzen, bzw. seine Ausführungen auf den neuesten Stand bringen. Offenbar geht es sogar weiter, da wichtige Teile der Buches der Philosophie gewidmet sind. In einer weiteren Rezension (2) wird aus dem Buch selbst zitiert:

"Die Faszination des Themas liegt vor allem darin, wie der Evolutionsgedanke in nichtbiologischen Disziplinen Fuß gefasst hat." (S. 15)

Und:

"Auch und gerade Außenstehende sollen verstehen, worum es jeweils geht … Neugier allein könnte durchaus genügen … Ich stelle mir deshalb gern vor, daß man in dem Buch schmökert wie in einem Lexikon" (S. 16)

In der Rezension heißt es weiter (2):

"Die Faszination des Buches liegt für den Rezensenten, der noch sehr oft und mit Begeisterung darin "schmökern" wird, neben dem erschlossenen großen Wissensfundus vor allem in der schier unglaublichen Fülle an Erkenntnissen zur Rolle und Bedeutung der Evolutionstheorie in unterschiedlichsten – auch völlig unerwarteten – Disziplinen und in den dazu disziplinübergreifenden Gedanken des Autors."

Und (2):

"... oder auch das Kapitel "Evolutionäre Religionswissenschaft" (S. 276), das sich mit der Evolution von Religiosität, mit Neurotheologie, mit Evolutionärer Theologie sowie mit dem Wahrheitsgehalt religiöser Überzeugungen sachlich-kritisch beschäftigt; zudem auch mit Fragen, ob man schriftlose Religionen nachweisen kann, ob Religionen ihrerseits einer Evolution unterliegen, ob Religion nützlich ist und ob Gläubige bessere Menschen sind."

In solchen Büchern ist die Philosophie der Zukunft enthalten.
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1. Storch, Volker: Wissenschaften im Licht der Evolution. Rezension von Gerhard Vollmer: "Im Lichte der Evolution - Darwin in Wissenschaft und Philosophie", S. Hirzel Verlag, Stuttgart, 2017 (613 S.). In: Biologie in unserer Zeit, 10 April 2018 https://doi.org/10.1002/biuz.201870217, http://www.wiley-vch.de/en/shop/journals/224
2. Pongraz, Gerfried: Rezension in: Humanistischer Pressedienst, 19.12.2016, https://hpd.de/artikel/im-lichte-evolution-13864
http://www.wiley-vch.de/en/shop/journals/224

Dienstag, 3. Juli 2018

"Zeit, weiter voranzuschreiten" - Stolze Worte des Evolutionsbiologen Simon Conway Morris

"Zeit, weiter voranzuschreiten" - Stolze Worte des Evolutionsbiologen Simon Conway Morris

Ob es eigentlich etwas Neues gibt vom von uns so sehr geschätzten Evolutionsbiologen Simon Conway Morris (1, 2)? Dazu kann man ja einmal Google Scholar-Treffer seit 2017 durchsehen ....

… Aha, eine Rezension (3). In ihr verteidigt Conway Morris das von ihm schon seit bald 20 Jahren propagierte Prinzip Konvergenz (2), nämlich als eines der grundlegendsten Prinzipien der Evolution. Abschließend schreibt der alte Kämpfer und Haudegen (3):

"Nach dieser robusten Verteidigung der Konvergenz - da werde ich natürlich weiter die Barrikaden bemannen, vor den Schüssen in Deckung gehen und freundlich hinunter lächeln auf das Gewühl der Massen? Nein, dafür besteht keine Notwendigkeit. Allein in der Zeitschrift 'Current Biology' zähle ich seit Beginn dieses Jahres mindestens sechs Mainstream-Arbeiten über Konvergenz. Offen gesagt, dieses ganze Geschäft wird mir zu populär. Es wird Zeit, weiter zu schreiten."

Original: "So, after this robust defence of convergence, surely I will continue to man the barricades, dodging the bullets and smiling sweetly at the swirling crowds? Hardly necessary. In Current Biology alone since the beginning of this year I count at least six Mainstream papers on convergence. Quite frankly, the whole business is becoming far too popular. Time to move on."

Sind das nicht stolze Worte eines Mannes, der in seinem Fach immer Avantgardist war, immer weit voraus den anderen? Solche Worte gefallen mir, sie sind ganz nach meinem Geiste: "Was, die Menge - der Mainstream - sind schon wieder viel zu dicht hinter mir aufgerückt? Zeit weiter zu schreiten!"

Alles, alles nur niemals Mainstream!
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1. Bading, Ingo: Vorlesung "Philosophie der Biologie I", 2018, https://www.youtube.com/watch?v=3_EL4tOTA7w
2.
https://de.wikipedia.org/wiki/Konvergenztheorie_(Evolution)
3. Conway Morris, Simon: Evolution’s weather vane? Book review of: Improbable Destinies: Fate, Chance and the Future of Evolution Jonathan B. Losos (Riverhead Books, New York; 2017), https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982217308965
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982217308965

Sonntag, 1. Juli 2018

Die einzigartige Situation in der heutigen Humangenetik

Die einzigartige Situation in der heutigen Humangenetik

In einer aktuellen Rezension im "Science Magazine" vom Mai 2018 (1) charakterisiert der Konstanzer Evolutionsbiologe Axel Meyer einleitend die derzeitige Forschungs- und Erkenntnis-Situation in der Humangenetik recht prägnant folgendermaßen:

"Mit hunderten von archäologisch gewonnenen menschlichen Genomsequenzen nur einen Fingertipp weit entfernt und mit Millionen von Genomsequenzen gegenwärtiger Menschen wie sie von Kunden von 'Mitmach-Genetik'-Firmen zur Verfügung gestellt werden, sind wir heute - mehr als jemals zuvor - in der Lage, Vermischungs- und Wanderungs-Bewegungen, sowie genetische Varianten in menschlichen Bevölkerungen zu entdecken, zu entziffern und zu interpretieren."

Original: "With hundreds of ancient human genome sequences at our fingertips and millions of contemporary samples provided by customers of consumer genetics companies, now - more than ever before - we are able to discover, decipher, and interpret mixing, migration events, and genetic variants in human populations."

Was für ein faszinierendes Geschehen, was für eine einzigartige historische Situation, die hier in wenigen Worten eingefangen ist, und aus der heraus ich - zum Beispiel - gerade auch in meinem heutigen Video wieder neueste Erkenntnisse erörtert habe (2).

Angesichts einer solchen prägnanten Analyse wie sie im Eingangssatz enthalten ist, erstaunt, daß Axel Meyer in der weiteren Rezension dann scheinbar nichts weiteres Staunenswertes aus dem gegenwärtigen Forschungs- und Erkenntnisfortschritt mitzuteilen weiß. Alles bleibt sehr im allgemeinen Bla-bla. Schade. Vielleicht erörtert er die inhaltliche Aspekte dieser Wissenschaftsrevolution ja noch einmal an anderer Stelle.

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1. Axel Meyer: Our inheritance. Rezension von "She Has Her Mother's Laugh: The Powers, Perversions, and Potential of Heredity" Carl Zimmer Dutton, 2018. 672 pp. http://science.sciencemag.org/content/360/6391/863
2. Bading, Ingo: "Ein Sohn der Sonne" - Die Indogermanen Asiens. https://youtu.be/FffGsyks8P8

http://science.sciencemag.org/content/360/6391/863

Freitag, 29. Juni 2018

Krebs - Rückfall der Zellen ins Einzeller-Stadium der Genablesung

Krebs - Rückfall der Zellen ins Einzeller-Stadium der Genablesung

Über den Übergang von der Einzelligkeit zur Mehrzelligkeit habe ich schon mehrere Blogartikel veröffentlicht. Im neuesten Heft von "Science" wird darüber berichtet (1, 2), daß Krebs nach neuesten Forschungen von David Goode eine zellphysiologische Rückkehr ins Einzeller-Stadium ist, was schon lange zuvor als naheliegend angenommen worden ist. Mit Bezug auf eine neuere Arbeit von Goode (3) heißt es darüber (1):

"Sie untersuchten die Gen-Ablesung von sieben Typen von Tumoren, einschließlich Brust, Bauch und Leber-Krebsen, und sie analysierten die evolutionäre Herkunft der aktiven Gene, die sie fanden. Gene, die alle zurück datieren auf frühe einzellige Zellkern-Wesen wurden aktiviert. Im Gegensatz dazu wurden Gene, die einzigartig sind für vielzellige Tiere, abgeschalten."

Original: "They examined gene expression in seven types of solid tumors—including breast, stomach, and liver cancers—and traced the ancestry of the active genes they found. Genes that date all the way back to early singlecelled eukaryotic organisms were revved up, Goode’s team reported last year in the Proceedings of the National Academy of Sciences. In contrast, genes unique to manycelled animals had gone quiet."

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1. Elizabeth Pennisi: Is cancer a breakdown of multicellularity? science.sciencemag.org/content/360/6396/1391
2. Elizabeth Pennisi: The power of many. science.sciencemag.org/content/360/6396/1388
3. Altered interactions between unicellular and multicellular genes drive hallmarks of transformation in a diverse range of solid Tumors. David Goode und andere, Mai 2017, http://www.pnas.org/content/early/2017/05/04/1617743114

http://science.sciencemag.org/content/360/6396/1391