Freitag, 13. Juli 2018

Ein tiefer Blick in die Art und Weise, wie Evolution arbeitet

Ein tiefer Blick in die Art und Weise, wie Evolution arbeitet
Viele Wege zur Konvergenz, aufgezeigt an Stickstoff-bindenden Pflanzensymbiosen im Wurzelbereich

Untersuchungen zu den Ursprüngen der konvergenten Evolution von Stickstoff-bindenden Pflanzensymbiosen im Wurzelbereich, die in unterschiedlichsten Bereichen des Artenstammbaums unabhängig voneinander sehr überraschend auftreten, aber immer auf einen ähnlichen genetischen Hintergrund zurückgreifen, lassen folgende Überlegungen als Schlußfolgerungen zu (1):

"Die Wahrscheinlichkeit von zufälligen parallen Änderungen, die zehn bis hundert Gene in gleichem Maße betreffen, ist so gering, daß vielfache unabhängige Ursprünge als sehr unwahrscheinlich erscheinen müssen. Komplexere Modelle, die tiefe Homologien beinhalten müssen, latente Homologie, Ereignisse, die eine Veranlagung schaffen oder parallele Ko-Optionen von Genen sind vorgeschlagen worden, um die Evolution von phylogenetisch bunt verteilten Merkmalen wie die Stickstoffbindenden Pflanzensymbiosen im Wurzelbereich zu erklären."

Und weiter wird ausgeführt (1):

"Die Augen von Arthropoden und Wirbeltieren sind Lehrbuch-Beispiele für tiefe Homologien. Sie entwickeln sich über größtenteils nichthomologe Mechanismen, aber benutzen dazu homologe Gene für Opsine, entwicklungsmäßige Transkriptions-Faktoren und Photorezeptor-Zellen, die zurückgeführt werden können auf ursprüngliche photosensorische Organe eines Nesseltier- oder Bilateria-Vorfahren. In diesem Fall sind sowohl die Funktion wie die Genetik homolog aber der Beweis dafür ist verwischt durch Abweichungen und/oder Abstammungslinien-spezifische Verfeinerungen, die insgesamt zu einer offensichtlichen Konvergenz führen."

Nebenbei bemerkt haben wir es hier auch wieder mit dem Prinzip Inhärenz zu tun, das von Simon Conway Morris in den Vordergrund des Nachdenkens gestellt wurde wie ich andernorts aufgezeigt habe (2, 3).

Um es also etwas deutlicher zu sagen, wovon hier die Rede ist: Es ist die Rede von der Möglichkeit, daß von Organismen ursprünglich evoluierte Fähigkeiten über weite evolutionäre Zeiträume hinweg in nachfolgenden Arten "abgedeckt" bleiben können, nicht demethyliert werden, nicht im Phänotyp zum Ausdruck kommen, aber in DNS-Bereichen, die unabgedeckt bleiben, konservativ erhalten bleiben und so unter entsprechenden evolutionären Umständen erneut aufgedeckt, abgerufen werden können. Es deutet sich an, daß Evolution so arbeitet, natürlich auch in Zusammenhang mit der Ko-Option von Genen, was bedeutet: Wenn das eine Gen aktiviert wird, wird auch das andere Gen aktiviert in einer Art Kaskade, in einer Art Domino-Effekt.

Daß Evolution unglaublich konservativ arbeitet, geht ja schon aus dem Umstand hervor, daß noch der menschliche Organismus sehr weit zurück reichend evoluierte Fähigkeiten nutzt, die seither nie mehr großartig abgeändert worden sind. Das gilt selbst für Bereiche der Verhaltensgenetik.

Abschließend noch etwas ausführlichere Auszüge im Original (1):
"Convergently evolved traits involving a similar genetic background are hard to explain. Although the multiple-origins model is often the phylogenetically most parsimonious for such traits, the likelihood of parallel changes affecting tens to hundreds of the same genes is so low that multiple independent origins seem implausible. More complex models, involving deep homologies, latent homologies, predisposition events, or parallel co-option of genes have been proposed to explain the Evolution of phylogenetically patchy traits, like NFN symbiosis. Although these have been used to denote various, sometimes overlapping processes, they refer to at least two distinct evolutionary mechanisms. Traits are deeply homologous if homology is not evident at the level of the entire trait but historical continuity of shared function exists for at least some of the genes involved in its development. Arthropod and vertebrate eyes are textbook examples of deep homologies: They develop by largely nonhomologous mechanisms but build on homologous genes, such as opsins, developmental transcription factors, and photoreceptor cells that can be traced back to primordial photosensory organs of a cnidarian or bilaterian ancestor (9). In this case, both function and genetics are homologous, but evidence for this is blurred by divergence and/or lineage-specific refinements, overall leading to apparent convergence."
Und (1):
"Conversely, latent homologies are developmental potentials (for example, gene regulatory circuits) that can be deployed (through co-option or exaptation) for new functions by simple genetic changes. Because a few mutations (for example, in regulatory sequences) are sufficient for their expression in a new context, latent homologies reduce the mutational target size for evolution and can thus promote convergence. Mechanistically, predisposition events can comprise the evolution of latent homologies that, as hypothesized for the NFN clade, lead to a higher likelihood for convergence to occur.
Teasing apart the possible mechanisms behind convergently evolved traits remains a substantial challenge even in the era of genomics. It nevertheless appears that case studies and models are emerging to explain the pervasive occurrence of convergence across the tree of life."
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1. Many roads to convergence. László G. Nagy. Science 13 Jul 2018, Vol. 361, Issue 6398, pp. 125-126, DOI: 10.1126/science.aau2409, http://science.sciencemag.org/content/361/6398/125
2. Bading, Ingo: Ist die biologische Evolution zu Ende? Ausgangsbedingungen, Ablauf und Ende der biologischen Evolution - Sind sie "bedingt" durch ein Ziel? Studium generale, 10. Juli 2016, https://studgendeutsch.blogspot.com/2016/07/ist-die-biologische-evolution-zu-ende_10.html
3. Bading, Ingo: Inhärenz schlägt Selektion - Als zugrunde liegendes Prinzip der Evolution. Oder: Sollte Leben ohne Evolution nicht sehr viel wahrscheinlicher sein? Studium generale, 17. November 2017, https://studgendeutsch.blogspot.com/2017/11/inharenz-schlagt-selektion-als-zugrunde.html
http://science.sciencemag.org/content/361/6398/125

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