Donnerstag, 13. Oktober 2016

Demographen können weltweit beobachten, dass sich durchschnittlich die Lebenserwartung erhöht, dass aber eine...

Demographen können weltweit beobachten, dass sich durchschnittlich die Lebenserwartung erhöht, dass aber eine Erhöhung der Lebenserwartung jener, die über 85 Jahre alt werden, sich im Durchschnitt in den letzten 20 Jahren auffallend deutlich verlangsamt hat, sprich, ein Plateau erreicht hat.

Sie interpretieren dieses Ergebnis als Hinweis darauf, dass medizinische Verbesserungen in diesem Bereich kaum noch eine Erhöhung der Lebenserwartung erreichen können. Und das wiederum wäre ein deutlicher Hinweis darauf, dass der gesetzmäßige Alterstod etwas ist, das tief in unser Sein als sterbliche Vielzeller eingebaut ist.

Die naturwissenschaftsnahe Philosophin Mathilde Ludendorff sagte schon 1921: Bewusstheit bedingt Todesmuß des bewussten Lebewesens und erklärt dies als die tiefste Gesetzmäßigkeit der Evolution der Mehrzeller.

https://www.scientificamerican.com/article/humans-may-have-already-reached-their-maximum-lifespan
https://www.scientificamerican.com/article/humans-may-have-already-reached-their-maximum-lifespan

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Es gibt noch heute viele, die über eine Währungsreform nachdenken und eine solche auch schon begonnen haben in etwa...

Es gibt noch heute viele, die über eine Währungsreform nachdenken und eine solche auch schon begonnen haben in etwa auf der Linie des Währungsreformers Silvio Gesell (siehe etwa: Rheingold). Solche Leute haben vor allem in früheren Jahrzehnten die mittel- und ostdeutsche, sowie skandinavische Brakteaten-Währung des Hochmittelalters (1140-1320) als vorbildlich hingestellt. Bei dieser wurden die geprägten Münzen periodisch vom Münzherren (dem regionalen Fürsten) eingezogen und neu ausgegeben.

Noch vor drei Jahren war auf dem Wikipedia-Eintrag zur Brakteaten mehr von den Vorteilen dieser Währung die Rede als heute. Eine neue Studie hat auch die archäologischen Münzhortfunde aus der damaligen Zeit ausgewertet. Im folgenden einige Auszüge aus den abschließenden Bemerkungen der Studie, ohne dass mir eine abschließende Beurteilung dazu leicht fiele:

"Empirical evidence from hoards shows that people were more willing to exchange their old coins for new ones when the interval between recoinage dates was longer." Und: "It turns out that periodic recoinage works particularly well in relatively undeveloped economies. Such economies have a small volume of coins in circulation, which facilitates reminting. There are also few places where coins are used for transactions in these areas, and few groups in society who use coins, that is, low monetization. (...) When periodic recoinage broke down and the bracteates lost their role as the principal coin in c. 1300–25, it was probably due to increased monetization and trade."

Außerdem: "Periodic recoinage prevented long-term inflation because the number of coins (and the amount of silver) was the same after as before the recoinage date." "Periodic recoinage as a monetary tax stymied (behinderte) economic activities such as trade and business, as evidenced by complaints in written documents."

Ich will auf diese Studie nur hinweisen.

(Svensson, Roger: Periodic recoinage as a monetary tax: conditions for the rise and fall of the bracteate economy. In: Economic History Review, 10. März 2016, pp. 1–24)

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ehr.12283/abstract
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ehr.12283/abstract

Montag, 3. Oktober 2016

Altruismus-Evolution über Gegenseitigkeit ist sehr anfällig für Täuschungsversuche.


Altruismus-Evolution über Gegenseitigkeit ist sehr anfällig für Täuschungsversuche.

Auch hat der Professor für Theoretische Biologie an der Humboldt-Universität Berlin schon Anfang der 1990er Jahre darauf hingewiesen, dass gegenseitige Hilfe im Tierreich keineswegs so allseits verbreitet und solide gegründet ist wie Verwandten-Altruismus. Schon 1994 ging er deshalb den ASSYMETRIEN in Gegenseitigkeits-Verhältnissen beim Menschen nach (z.B.: "Angebot und Nachfrage bestimmen den Erfolg bei der Partnerwahl hinsichtlich Kooperation, Gegenseitigkeit und Verheiratung"), weil Assymetrien - z.B. in Angebot und Nachfrage - zur Stabilisierung von Gegenseitigkeitsverhältnissen beitragen können.

Der Züricher Evolutionäre Anthropologe Adrian Jaeggi und seine Mitarbeiter sind nun bei einem brasilianischen Indianerstamm (Tsimane) solchen Assyemtrien in gegenseitigen Austauschverhältnissen noch genauer nachgegangen.

Ergebnis:

Fleisch wurde innerhalb der Gruppe häufiger gegen Fleisch und Gartenprodukte eingetauscht, aber NICHT für Gartenarbeit, Kinder- und Krankenbetreuung. Kinderbetreuung wurde geleistet im Austausch mit Gartenarbeit, Kinder- und Krankenbetreuung, aber nicht im Austausch mit Fleisch.

Sprich, materielle Dinge, die schwerpunktmäßig Männer "erwirtschaften", werden gegen materielle Dinge getauscht, soziale Dienstleistungen, die schwerpunktmäßig Frauen erwirtschaften, werden gegen soziale Dienstleistungen getauscht.

In der Regel wurden übrigens 100 Kilokalorien Fleisch gegen 300 Kilokalorien Gartenprodukte eingetauscht. War das Angebot von Fleisch aber größer, konnte sein Preis auch sinken.

(Original: "Meat was exchanged more often for meat and for garden produce, but not for garden labor, childcare, or sickcare, while childcare was exchanged for garden labor, childcare, and sickcare, but not meat. These analyses suggest that most trade is patterned by labor specializations occurring within wealth classes: material capital for material capital and social capital for social capital. These specializations are also based on divisions of labor based on age and gender: adult males dedicate more effort to meat production and garden labor than females, while adult females spend more time harvesting garden produce and caring for the infirm than males, and adolescent females allocate proportionally more time to childcare than adolescent males.")

Am Ende schreiben die Forscher:

"Humans’ slow life history and skill-intensive foraging niche increase the payoffs to specialization and create interdependence within and among generations, thus stabilizing cooperation and fostering divisions of labor even in informal economies." Sie meinen, das weitere Wachstum sozialer Komplexität beim Menschen wäre insbesondere durch kulturelle Normen und Institutionen stabilisiert worden.

In meiner Forschungsarbeit gehe ich schwerpunktmäßig einer anderen These nach: Warum sollte Spezialisierung in einer komplexen, arbeitsteiligen Gesellschaft nicht auch von Verwandtenaltruismus geleitet sein, wo sie doch - das ist ja das Prinzip - die Kosten (für den Altruisten) erniedrigt und den Nutzen (für die Nutznießer) erhöht - ?

Dieser Zusammenhang gilt übrigens auch schon bei der geschlechtlichen Arbeitsteilung der Tsimane. Genau dieser Zusammenhang IST ja "assymetrische Gegenseitigkeit"! ;) Allerdings ist der durchschnittliche genetische Verwandtschaftsgrad bei so kleinen, endogamen Gruppen sowieso schon so hoch, so dass ein großer Teil der hier feststellbaren gegenseitigen Hilfe sowieso schon Verwandtenaltruismus ist. Deshalb können die Forscher in ihrer Studie auch gar nicht "reinen" Gegenseitigkeits-Altruismus erforscht haben. Dessen sind sie sich auch bewusst, schreiben sie doch: "The relative importance of reciprocity, as evidenced by long-term contingencies between giving and receiving, may equal or outweigh that of kinship." Und: "Kinship was associated with greater giving for all commodities." Und: "Kinship most likely provides a basis for the initial assortment of reciprocators".

Trotz ihres irreleitenden Titels und diesbezüglich vieler irreleitender Textabschnitte handelt diese Studie also wiederum (!) vornehmlich über Verwandten-Altruismus. Welcher Altruismus hier ganz unabhängig von genetischer Verwandtschaft geleistet wird, dieser Frage gehen die Forscher überhaupt nicht besonders intensiv nach. Und leider scheint ihnen die Bedeutung dieser Frage auch nicht ausreichend bewusst zu sein. Sie sollten direkt mit der Hamilton-Ungleichung an ihrer Fragestellungen herangehen, dann wird gleich alles klarer.

(Adrian Jaeggi et.al., 2016, Reciprocal Exchange Patterned by Market Forces Helps Explain Cooperation in a Small-Scale Society; Shane J. Macfarlan, 2016, Social Evolution: The Force of the Market)

http://www.cell.com/current-biology/abstract/S0960-9822(16)30793-X

Sonntag, 2. Oktober 2016

Das Lebewesen mit dem kleinsten natürlichen bekannten Genom ist "Mycoplasma genitalium".

Das Lebewesen mit dem kleinsten natürlichen bekannten Genom ist "Mycoplasma genitalium". Es hat 525 Gene, wächst aber sehr langsam. Craig Venter und andere arbeiten lieber mit "Mycoplasma mycoides", das natürlicherweise 985 Gene hat, und versuchen durch Knock-out-Experimente herauszubekommen, welche und wieviele Gene für Lebensfähigkeit unbedingt notwendig sind. Inzwischen sind sie bei 473 Genen angelangt und haben Mühe, weiter runter zu gehen.

Das heißt, die Biologie muss zur Zeit erklären, wie "aus Biochemie", wie "aus der Ursuppe" ein Lebewesen entstehen konnte mit rund 500 Genen. Die Natur hat es hingekriegt. Wir wissen nur noch nicht: wie.

(Johannes Sander: "Auf dem Weg zum Minimalgenom" in "Biologie in unserer Zeit")

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/biuz.201690063/abstract
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/biuz.201690063/abstract

Samstag, 1. Oktober 2016

Ich hatte hier schon darüber berichtet: Die ancient-DNA-Forschung brachte letztes Jahr definitiv an den Tag, dass...

Ich hatte hier schon darüber berichtet: Die ancient-DNA-Forschung brachte letztes Jahr definitiv an den Tag, dass wir heutigen Mittel- und Nordeuropäer zu etwa zwei Dritteln von den Indogermanen aus der Ukraine abstammen, die ab 2.800 v. Ztr. als "Streitaxtleute" bzw. "Schnurkeramiker" mit ihren Streitwagen Mitteleuropa eroberten.

Und ich sagte auch schon, dass dabei die Männer der einheimischen Rinderwagen-Kulturen getötet und die einheimischen Frauen geheiratet wurden. In einer neuen genetischen Studie, die gestern veröffentlicht wurde, wird das noch einmal eindrucksvoll bestätigt und bekräftigt:

"For later migrations from the Pontic steppe during the LNBA, however, we estimate a dramatic male bias, with ~5-14 migrating males for every migrating female. We find evidence of ongoing, primarily male, migration from the steppe to central Europe over a period of multiple generations, with a level of sex bias that excludes a pulse migration during a single generation."

Bei den kriegerischen Zuwanderern kamen also auf fünf bis 14 Männer eine Frau! Und sie wanderten sogar über mehrere Generationen zu. All das in deutlichem Kontrast zu der Ausbreitung des Ackerbaus selbst in Mitteleuropa 3.000 Jahre zuvor (durch die Bandkeramiker).

http://biorxiv.org/content/early/2016/09/30/078360?rss=1%2522
http://biorxiv.org/content/early/2016/09/30/078360?rss=1%2522