Mittwoch, 1. Juni 2016

Moralische Naturgeister in einer schamanistischen Volksreligion am Altai-Gebirge

Moralische Naturgeister in einer schamanistischen Volksreligion am Altai-Gebirge

-> The Evolution of Gods’ Minds in the Tyva Republic (2016) von Benjamin Grant Purzycki

Das Verbreituungsgebiet der indogermanischen Völker reichte in der Bronzezeit von der Westgrenze Chinas bis nach Nordeuropa, bis Anatolien und darüber hinaus. Die Innere Mongolei und die Republik Tuwa am Großen und Kleinen Jennisei und am Altai-Gebirge beherbergen noch heute hunderte von großen, prächtig ausgestatteten Grabhügeln der Skythen aus dem sechsten und fünften Jahrhundert v. Ztr., eines Volkes, das sich damals von dort bis in die Ukraine ausbreitete und auch den Athenern nur zu gut bekannt wurde.

Alle diese indogermanischen Völker, die Skythen, die Sogder, die Tocharer - letztere die Gründer der Oasenstädte der Seidenstraße - und wie sie noch alle hießen, gingen mit der Einführung des Buddhismus und mit dem Sturm der Hunnen am Ende der Spätantike unter. An ihrer Stelle breiteten sich die Uiguren aus und nomadische Turkvölker wie die Tuwa.

Die Tuwa haben später den tibetischen Buddhismus angenommen, halten aber bis heute zäh an dem Schamanismus, der Volksreligion ihrer Vorväter, fest. Sie verehren die Geister, Naturkräfte in heiligen Quellen, Sträuchern und errichten ihnen entlang von Besitzgrenzen Steinhügel.

Kommt ein Tuwa an einem solchen heiligen Ort vorbei, opfert er hier in der Regel verschiedene Nahrungsmittel oder Geld, er hält inne, versucht sich auf das Gute in sich zu besinnen. Denn die Tuwa glauben, es habe schädliche Wirkung, wenn man sich den Naturgeistern mit unheiligen Gedanken und mangelnder Ehrfurcht nähert.

Dieser Volksreligion der Tuwa hat nun ein Anthropologe eine neue Untersuchung gewidmet. Er fragte die Tuwa, was es für sie bedeutet, ein guter Mensch zu sein, die Antworten:

"In order of descending salience, the eight most salient items in Tyvans’ models of what it means to be a good person consisted of being (1) hardworking, (2) helpful, (3) kind, (4) modest, (5) respectful, (6) honest, (7) intelligent, and (8) having love for or strong ties to family members (84 respondents; Nlisted = 499; Mlisted = 5.94; SDlisted = 2.43). In terms of what constitutes a “bad Tyvan person,” the most salient items listed were being (1) untrustworthy, (2) drunks or those who drink alcohol, (3) lazy, (4) envious, (5) greedy, (6) disrespectful, (7) cruel, and (8) ignorant."

Der Alkoholismus ist heute für die niedrige Lebenserwartung der Tuwa verantwortlich, die noch niedriger ist als die der Russen. Die Studie findet, daß sich die Naturgeister dieser Problematik annehmen und Trunksucht nach Meinung der Gläubigen nicht gut finden. Auch auf anderen Gebieten könnte der Glaube an sie den sozialen Zusammenhalt verbessern, ja, sogar das Umweltbewusstsein verbessern, wird in der Studie gemutmasst, die frei zugänglich ist.

-> The Evolution of Gods’ Minds in the Tyva Republic (2016) von Benjamin Grant Purzycki.




http://www.journals.uchicago.edu/doi/abs/10.1086/685729

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