Donnerstag, 11. August 2016

Die Evolution hat bei großen Schritten immer viel experimentiert und es gibt dementsprechend dann immer viele...

Die Evolution hat bei großen Schritten immer viel experimentiert und es gibt dementsprechend dann immer viele Übergangsformen. So auch beim Übergang von den Reptilien zu den Säugetieren. Ob die Evolution der echten Säugetiere mit einer Plazenta, also einer Gebärmutter, die lange Schwangerschaften erlaubt, vor dem Aussterben der Dinosaurer (vor 65 Millionen Jahren) einen langen Vorlauf hatte, wie das zumeist bisher angenommen worden ist, wird immer fragwürdiger. Sicher ist, dass es aus dieser Zeit bis heute noch zum Beispiel eierlegende Kloakentiere oder Beuteltiere gibt, eben Übergangsformen (sie werden zusammen mit den echten Säugetieren zu den Eutheria gezählt).

Nach der molekularen Uhr sollten Plazentatiere EIGENTLICH schon in der frühen Kreidezeit evoluiert sein. ABER: Seit Jahrzehnten sucht man aus dieser Zeit Fossilien von ihnen, findet sie aber nicht zweifelsfrei.

Nach einer neuen Studie entstanden die Planzentatiere nun erst unmittelbar VOR dem Aussterben der Dinosaurier in der Zeit vor 65 und 69 Millionen Jahren. Hier gibt es noch viel Diskussion, aber dieses Datum ist jetzt mal der letzte Stand der Forschung. Auch für die Boreoeutheria (z. B. Maulwürfe, Katta) und Laurasiatheria (Huftiere, z.B. Giraffen) ist strittig, ob sie unmittelbar VOR dem Massenaussterben vor 65 Millionen Jahren entstanden sind oder unmittelbar danach.

Puh, um so tiefer man sich in die Studie einarbeitet, die frei zugänglich ist, um so komplizierter - und spannender - wird es. Es soll hier zunächst einmal nur das Hauptergebnis festgehalten werden:

"We show that rates of morphological evolution in the 5 Myr interval immediately after the K–Pg mass extinction are three times higher than background rates during the Cretaceous. (...) An evolutionary radiation occurred as placental lineages invaded new ecological niches during the Early Palaeocene."

Also gegenüber den durchschnittlichen Artenbildung pro Zeitintervall in der Evolution allgemein während der Kreidezeit verdreifachte sich die Zahl der neuen Arten pro Zeitintervall für die Säugetiere in den fünf Millionen Jahren unmittelbar nach der Zeit vor 65 Millionen Jahren.

Fünf Millionen Jahre - das ist ungefähr die Zeit, die die Evolution brauchte von der Organisationsstufe der Schimpansen zur Organisationsstufe des modernen Menschen. Das ist also aus evolutionärer Sicht eine sehr kurze Spanne.

Für den Neodarwinismus werden die Zeitspannen immer kürzer, in denen sie - nach ihrem Paradigma - mit Hilfe von Punktmutionen die Fülle der Artbildungen und die Intensität des Artwandels erklären müssen. Denn bei der Entstehung der echten Säugetiere geht es nicht nur um Gehirnevolution und die Evolution - etwa - des zweibeinigen Gehens. Da geht es um viel grundlegendere Dinge wie eben eine Gebärmutter, um die Evolution intensiverer sozialer Bindungen zwischen Elterntieren und Jungtieren etc. pp. pp. pp..

Spannendste Entwicklungen, die alle sehr grundlegende Fragen an die Evolutionsforschung stellen.

Als die Evolutionäre Philosophin Mathilde Ludendorff vom "plastischen Zeitalter" sprach, scheint sie mit diesem Begriff der Wirklichkeit doch ziemlich nahe gekommen zu sein. Siehe auch meinen Beitrag vom 21.7., wo dieses plastische Zeitalter sogar auf 300.000 Jahre begrenzt ist.

("Eutherians experienced elevated evolutionary rates in the immediate
aftermath of the Cretaceous –Palaeogene mass extinction")

http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/283/1833/20153026
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/283/1833/20153026

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