Sonntag, 30. August 2015

Die evolutionäre Religionswissenschaft erforscht die Theorie der "moralisierenden Götter".

Die evolutionäre Religionswissenschaft erforscht die Theorie der "moralisierenden Götter". An dieser Theorie wird viel Wahres dran sein. Sie kann aber nicht erklären, warum "moralisierende Götter" in solchen Hochkulturen wie der griechischen Demokratie oder der römische Republik eine doch vergleichsweise geringe Rolle gespielt haben.

Es sei erinnert an die Aussage des Tacitus über die heidnischen Germanen, dass bei ihnen gute Sitten mehr bewirken würden als anderswo gute Gesetze. (Wobei er an gute Religionsbücher übrigens noch gar nicht gedacht hat und denken konnte.)

Moralisierende Götter werden also wohl vor allem solche Völker brauchen, in denen Kooperation durch gute Sitten allein nicht hergestellt werden kann. Also solche Völker, in denen Selbstbeherrschung und Selbstbestimmtheit des einzelnen kein Wert ist und nicht durch die vorherrschende Kultur gefördert wird.

Eine Steigerungsform der Religionen mit "moralisierenden Göttern" ist ja die die (Assmann'sche) mosaische Unterscheidung  zwischen Wahr und Falsch. Jene Religionen hatten Erfolg, die Behauptungen von ihren Gottvorstellungen aufstellten mit einer Sicherheit, als würde es sich dabei um wissenschaftliche Tatsachen handeln.

Noch der römische Historiker Tacitus z.B. wandte sich von solchen Formen der Religion geradezu mit Ekel und völligem Unverständnis ab. Das war die normale damalige emotionale Reaktion auf solche Form der Religiosität. Sie wurde in Europa aber dann erst wieder üblich mit Friedrich Nietzsche.

Solche "mosaischen" Behauptungen jedenfalls stellten die mythischen Vorgängerreligionen in einer solchen Vehemenz ja nie auf. Und nicht wissenschaftlich und philosophisch gebildete Völker wussten einer solchen Behauptung mittelfristig nichts Nachhaltiges entgegenzusetzen.

Die Folge war das Mittelalter, das in den hintergründigen Machtstrukturen der heutigen Zeit noch geradezu überschwenglich lebendig fortlebt.

In unserer heutigen Zeit sollten wir nicht - oft geradezu hilflos - nach einem "moralisierenden Gott" suchen. Sondern wieder danach streben, dass bei uns gute Sitten mehr bewirken als anderswo gute Gesetze. - - -

Der Buchtitel aus 2013 aber, auf den sich dieser Artikel bezieht, deutet einen weiteren und neutraleren Erkenntnishorizont an als der Artikel selbst, lautet er doch "Big Gods - How Religion Transformed Cooperation and Conflict". Wie Religion also Kooperation und Konflikte VERÄNDERTE. Sprich: nicht unbedingt nur in ihrer Qualität verbesserte.
http://www.sciencemag.org/content/349/6251/918.full

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