Mittwoch, 5. April 2017

"Epigenetische Beiträge zur Artbildung" (PNAS 2017)


"Epigenetische Beiträge zur Artbildung" (PNAS 2017)

In dem neuen Aufsatz ""Epigenetic contribution to diversification", zu Deutsch: "Epigenetische Beiträge zur Artbildung" werden die folgenden, interessanten Ausführungen gemacht (eigene Übersetzung):

"Geschlechtliche Fortpflanzung geschieht in der Regel zwischen genetisch ähnlichen Partnern einer Art, Unterart oder Population. Fortpflanzung außerhalb dieser Gruppen erzeugt Mischlinge (Hybride), also Nachkommen von Eltern mit beträchtlichen genetischen Unterschieden."

Solche Hybride entstehen offensichtlich auch, wenn Menschen unterschiedlicher kontinentaler Herkunft miteinander Kinder haben. Es gibt inzwischen auch viele Hinweise darauf, dass die in der europäischen Geschichte sehr häufig vorgekommene Ethnogenese, also die Entstehung neuer Völker, ja, sogar neuer Rassen, einhergegangen ist mit solchen Hybriden. Nicht zuletzt deshalb sind für uns die folgenden Ausführungen so spannend, ganz abgesehen davon, dass die ungeklärten Fragen schneller Artbildung ja auch für sich ein spannendes Thema sind. Weiter heißt es:

"In einigen Fällen sind Hybride lebenskräftiger als jedes ihrer beiden Elternteile, ein Phänomen, das Heterosis genannt wird und das den Erfolg von Hybriden in der natürlichen Selektion ebenso erklärt wie ihre Bedeutung in der Landwirtschaft. Aber Hybridisierung kann alternativ auch zu schädlichen Genom-Kombinationen führen, die zu Hybrid-Disfunktion führt (z.B. zu reduzierter Fitness oder erhöhter Sterblichkeit) und oft zu reproduktiver Isolation."

Zum Beispiel gibt es gute Theorien, die die Intelligenz-Hochbegabung des aschkenasisch-jüdischen Volkes auf solche Hybrid-Bildungen in Verbindung mit Inzucht zurück führen, was EINERSEITS eben diese Intelligenz-Hochbegabung mit sich gebracht haben könnte, ANDERERSEITS aber auch einen überdurchschnittlich hohen Anteil an bestimmten, für das aschkenasische Judentum typischen Erbkrankheiten. Beides kann mitunter unter den Geschwister derselben Familie vorkommen. Weiter heißt es, dass die genannte Disfunktion sozusagen auf konventionellen genetischen Ursachen beruhen kann, aber auch andere Ursachen haben kann:

"Mehrmals ist Hybrid-Unvereinbarkeit in Verbindung mit Gen-Duplikation beobachtet worden."

Gen-Duplikation hat in der Evolution eine entscheidende Rolle gespielt. Man vergleiche das wichtige Buch "Evolution by Gene Duplication" von Susumu Ohno. Weiter: "Aber es ist schon vermutet worden, dass Unvereinbarkeit nicht nur und ausschließlich auf genetischen Eigenschaften beruht, verbunden mit den neu angeordneten genetischen Strukturen. In der Zeitschrift PNAS beschreiben nun Blevins et al. ein Bespiel, bei dem Hybrid-Unvereinbarkeit verursacht wird durch Unterschiede in der epigenetischen Information, die unentdeckt bleiben würden, wenn man nur nach Sequenz-Unterschieden suchen würde."

Eine unglaublich spannende Erkenntnis. Mein Onkel, der Zellbiologe Gerold Adam (1933-1996) hat diese epigenetischen Veränderungen als entscheidend für die Artbildung erachtet, nicht die neodarwinischen Punktmutationen. Weiter heißt es, dass anhand der berühmten Arabidopsis thaliana demonstriert wird,

"dass ein epigenetisch inaktiviertes Gen, das notwendig ist für die Histidin-Biosynthese (HISN6B), Hybrid-Unvereinbarkeit hervorruft, wenn es in Kombination mit mutierten Kopien seiner duplizierten Version HISN6A vorliegt. Diese Mutation ist vorhanden in Arabidopsis von den Kap Verde-Inseln (Cvi), aber es verhindert die Histidin-Biosynthese nicht."

Die hier vorliegende Hybrid-Unvereinbarkeit hatte bisher nicht erklärt werden können. Die Forscher fanden nun, dass sie an einer erhöhten Cytosin-Methylierung in der Promoter-Region des Gens liegen, also an einer epigenetischen Programmierung, nicht an den miteinander kombinierten Gensequenzen selbst.

Die Grafik ist dem genannten Aufsatz entnommen und folgendermaßen kommentiert: "Both diploid parents (P) have a pair of redundant genes originating from an ancient genome duplication. In parent A (Col in this case), the blue copy is functional, whereas the red copy is not expressed due to epigenetic silencing. Parent B (Cvi in this case) has a mutation in the blue copy, but it is viable (lebensfähig) because the red copy is expressed. Hybrids between the parents are viable (lebensfähig), but their selfing results in F2 progeny in which individuals homozygous for the mutated and inactivated genes are missing, leading to reduced gene flow and increasing isolation. Passage of the silent red copy through homozygous silencing mutants leads to its stable reactivation also in parent A (Col). Crosses of such a parent with parent B (Cvi) produce F2 progeny with all segregating genotypes present."

Ich will nicht sagen, dass ich die Zusammenhänge schon voll verstanden habe (müsste dazu mehr Zeit in die Lektüre investieren). Aber die Grundaussage lautet: Bei der Artbildung - und damit auch bei der Ethnogenese - können epigenetische Programmierungen eine Rolle spielen! Und ich ergänze dazu weiterhin, dass bekannt ist, dass z.B. Stress-Situationen die epigenetische Programmierung ändern kann, sogar generationenübergreifend, also an die Nachkommenschaft weitergegeben werden kann. Alles Dinge, die auch bei der Ethnogenese vorkommen können, bzw. natürlich auch im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung grundlegender gruppenevolutionärer Strategien (also nicht nur mit ihrer Änderung).

"Epigenetic contribution to diversification" PNAS 2017
Originalartikel: "Hybrid incompatibility caused by an epiallele"

http://www.pnas.org/content/114/14/3558.extract.html?etoc

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