Sonntag, 19. März 2017

Morgenammern haben lokal unterschiedliche erlernte Gesangsdialekte und diese Dialekte bilden zugleich (aufgrund von...

Morgenammern haben lokal unterschiedliche erlernte Gesangsdialekte und diese Dialekte bilden zugleich (aufgrund von female choice) Fortpflanzungsgrenzen aus, tragen also auch bei zu genetischen Populationsunterschieden. Nicht nur geographische Distanz und Barrieren (Gebirge, Flüsse) erklären also auch hier die genetischen Populationsunterschiede bei Morgenammern allein, sondern auch die lokalen Gesangsdialekte.

So weit eine Zusammenfassung des folgenden. Nun die Einzelheiten.

Morgenammern ("rufous-collared sparrows", Zonotrichia capensis) sind monogam lebende Singvögel, die in ganz Südamerika verbreitet sind und schon seit Jahrzehnten als eine Art Modellorganismus erforscht werden. Die Männchen der Morgenammern lernen durch Nachahmung von ihren Artgenossen lokale Gesangsdialekte. Und die Weibchen der Morgenammern heiraten schon seit Jahrhunderten (wie es scheint) vornehmlich Männchen, die denselben Gesangsdialekt singen wie ihre Väter. Deshalb bildet hier ein erlerntes Merkmal - der Gesangsdialekt - genetische Unterschiede zwischen den Morgenammer-Populationen aus, die nicht allein durch geographische Verhältnisse erklärt werden können. Dies ist das Ergebnis einer neuen Forschungsstudie von Julie E. Danner ("Genetic population structure in an equatorial sparrow: roles for culture and geography", Journal of Evolutionary Biology, 2017, http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jeb.13065/abstract).

Dass solche Verhältnisse vorliegen, wurde schon seit Jahrzehnten vermutet und der Forscherstreit geht diesbezüglich seit Jahrzehnten hin und her. Auf dem englischen Wikipedia ist er auszugsweise dokumentiert. Dort steht über die Morgenammern: "It is famous for its diverse vocalizations, which have been intensely studied since the 1970s."

Und dann: "This ecologically catholic neotropical songbird provides perhaps one of the clearest and most widely distributed habitat-related dialect systems. The geographic variation in the song of this species became apparent over 30 years ago with F. Nottebohm's study in subtropical and temperate Argentina. He interpreted his findings largely in the context established a few years before in the white-crowned sparrow, that is, he suggested that these dialects perhaps serve to enhance the genetic integrity of local populations."

Der Forscher F. Nottebohm, auf den sich auch Danner bezieht, ging also schon vor 30 Jahren mit einer kühnen Hypothese voran, indem er vermutete, postulierte: "Die Dialekte verstärken die genetische Einheitlichkeit der lokalen Populationen."

Und genau das hat Danner jetzt in ihrer neuesten Studie bestätigt. Auf Wikip., wo dieser neue Artikel noch nicht eingearbeitet ist, heißt es weiter:

"The first direct investigation of this possibility, while providing no support for what came to be called the "genetic adaptation hypothesis" (GAH), which explains the vocal dialects of the brown-headed cowbird (Molothrus ater) well. (A study) showed that the spatial organisation of song variation was very closely associated with the distribution of distinct habitat types. Moreover, the structural characteristics of the dialect variable (trill interval) showed variation largely consistent with the interspecific acoustic patterns described by E.S. Morton, that is, in general, the trill interval varied from short (c. 50 ms; rapid trills) in open grasslands to long (1–200 ms; slow whistles) in woodlands and forests. This ecological dimension was explored further by Handford and students in the highly diverse habitats of northwestern Argentina. They showed that the ecological ordering of dialect variation over a huge geographical space (1,200 km × 350 km or 750 mi × 220 mi) and across a dramatic sweep of structurally distinct habitats (puna scrub, grassland, desert scrub, thorn woodland, and drought-deciduous forest (see Figure) was largely consistent with the previously established picture."

Hier wird also argumentiert, dass die Dialekte vornehmlich an geographische und ökologische Bedingungen angepasst sind. Dem widersprechen dann aber wieder die weiteren Ausführungen:

"This work also demonstrated that these spatial patterns show temporal stability of at least 20 years (now known to exceed 30 years), and stability on the order of centuries is implied by the persistence of certain habitat dialects long after the native vegetation has been removed by agriculture."

Also die unterschiedlichen Morgenammer-(Gesangs-)Kulturen bleiben sogar erhalten, wenn die natürliche Umgebung sich durch menschlichen Pflanzenanbau drastisch ändert. Weiter:

"This massive demonstration of acoustically rational habitat-based song variation strongly supports what is now known as the Acoustic Adaptation Hypothesis. However, the work also provided a basis for a final evaluation of the GAH on a similar geographical scale. This study showed that the substantial genetic variation shown by the species is organised largely by distance; dialect songs impose no further structure: it seems that for this species the GAH has no explanatory value. The most recent work on this species confirms that the clear ecological segregation of acoustically rational vocal dialects in Argentina extends from 22ºS at the Bolivian border south to 42ºS in northern Patagonia. Across this vast space, the greatest song diversity is concentrated in the vegetationally diverse north west; in the ecologically more uniform central and southern regions, great song uniformity is encountered; finally, island habitats, such as montane grasslands, are represented by repeated islands of the specific song dialect. Other recent work suggests, however, that tropical population (Ecuador) do not show this pattern: instead, individuals show repertoires (from 1–7 trill-types; mean = c. 4) and local populations can show nearly as much trill variation as is known from all Argentina."

Also, die neueste Studie von Julie E. Danner aus diesem Jahr ist hier noch nicht referiert. Es ist unglaublich spannend zu sehen, dass hier auf dem Gebiet der Gen-Kultur-Koevolution von Singvögeln die gleichen Diskussionen geführt werden, wie sie - beispielsweise - in der Archäologie und Kulturanthropologie bezüglich der menschlichen Kulturen geführt worden sind und wo sie inzwischen in ähnlicher Richtung entschieden sind wie neuerdings auch bezüglich sowohl hier der Morgenammern wie auch - schon vor einem Jahr - bezüglich der Schwertwal-Populationen im Atlantischen Ozean.

Überall erklärt nicht Distanz allein die kulturelle und genetische Vielfalt der Populationen, sondern eben Kultur selbst. Die Muttersprache (bei den Menschenvölkern), der erlernte Gesang (bei den Morgenammern) und verschiedene kulturell erlernte Verhaltensweisen, wohl auch Lautäußerungen (bei den Schwertwalen).

Das wächst sich immer mehr zu einem hochgradig spannenden Forschungsgebiet aus. Man kann sagen, dass hier konvergente Evolution von "Völkern" festzustellen ist. Es dürfte auch ein spannender Zusammenhang sein, dass die Morgenammern monogam sind. Bekanntlich spielt Monogamie eine Rolle bei der Evolution sowohl von Altruismus wie von Intelligenz. (Worüber ich schon mehrfach auf meinen Blogs und hier berichtet habe.)

Danner schreibt nun in ihrer Studie, dass die Männchen der Morgenammern unterschiedliche Dialekte gar nicht zu unterscheiden scheinen, sondern dass das nur die Weibchen tun. Das erinnert ein wenig an den Zusammenhang, dass auch Menschenfrauen auf genetisch unterschiedliche ("fremde") Menschen zum Beispiel in der Schwangerschaft deutlicher reagieren. Auch das Vertrauens- und Bindungshormon Oxytocin hat eine solche Wirkung.

Da ja Fortpflanzungsgrenzen letztlich zu Artbildung führen können, bewirkt also hier die eingespielte monogame Paar-Kommunikation zwischen Weibchen und Männchen die Evolution kultureller, ja sogar genetischer Gruppen-Vielfalt, was in letzter Instanz dann natürlich auch Artbildung bewirken könnte.

Danner schreibt zusammenfassend: "We found that both latitude and the Andean Ridge played the largest roles in structuring song dialects, and other geographic variables (a river valley and longitude) played smaller roles. In addition, song dialects of contiguous"
- also benachbarten -
"populations differed by the same degree or more than between two populations previously shown to exhibit female preference for local song dialect, suggesting that birds from these populations may also breed preferentially with locals. Results from genetic clustering and variance partitioning revealed that both song dialect and geographic variables were independent mechanisms of population genetic divergence, as were distance, the river valley and the Andean Ridge."

https://en.wikipedia.org/wiki/Rufous-collared_sparrow

https://en.wikipedia.org/wiki/Rufous-collared_sparrow

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