Konvergente Evolution als Hinweis auf die Zielgerichtetheit der Evolution
Nachdem Simon Conway Morris im Jahr 2003 sein umstürzendes Buch "Life's Solution - Inevitable Humans in a Lonely Universe" veröffentlichte, ein Buch, in dem zum ersten mal das Thema "Konvergente Evolution" sehr grundsätzlich in den Mittelpunkt des Nachdenkens über Evolution gestellt worden war (in Anknüpfung an und ermutigt von den astrophysikalischen Forschungen rund um das Anthropische Prinzip), und in dem er aus der Häufigkeit des Vorkommens des Phänomens Konvergenz die These ableitete, daß der Mensch und eine große Zahl von Lebewesen keineswegs - wie zuvor von Stephen Jay Gould ziemlich flach behauptet - ZUFALLSPRODUKTE der Evolution wären, hat es in der Wissenschaft eine zehnjährige "Schrecksekunde" gegeben.
(Nun, vor dem Angesicht von mehreren Jahrtausenden Wissenschafts-Geschichte darf man ja zehn Jahre wohl schon einmal eine Sekunde nennen.) Das war ein Thema und eine These, auf die war niemand so richtig vorbereitet, niemand wußte so recht, wie er darauf reagieren sollte. Und dann war Conway Morris auch noch - - - gottgläubig. Ist das nicht "verboten"? Darf man solche Bücher überhaupt veröffentlichen? ... mögen sich manche Naturforscher ernsthaften Gemütes gefragt haben. Das mußte ja im Grunde "faul" sein, was der da schrieb. (Der gute PZ Myers hat dementsprechend auch gleich in diese Richtung hin argumentiert.)
Der vorurteilsfreie Richard Dawkins allerdings war einer der ersten, der schon 2004 diese These sehr positiv aufnahm und von ihr Grundgedanken seines begeisternden Buches "The Ancestor's Tale - A Pilgrimage to the Dawn of Life" bestimmen ließ. (Der Buchtitel wäre wörtlich etwa zu übersetzen mit: "Was die Urtiere erzählten - Eine Wallfahrt zurück in Dämmerungszeiten des Lebens", der deutschen Übersetzung aber wurde der Titel "Geschichten vom Ursprung des Lebens" gegeben.)
Nun gut, nachdem zehn Jahre vergangen sind, nimmt das Thema konvergente Evolution nun endlich auch richtig Fahrt auf in der "ganz gewöhnlichen" Wissenschaft. Witzigerweise wird heute Simon Conway Morris meist nur noch im Vorübergehen, ganz am Rand als einer derjenigen genannt, der sich mit dem Thema "auch" "einmal" beschäftigt hätte. Wäre ja auch schlimm, wenn man einen Gottgläubigen als Begründer eines ganz neuen Wissenschaftszweiges benennen müßte ....
Nun ist neuerdings wieder einmal eine Sonderfolge des "American Naturalist" dem Thema konvergente Evolution gewidmet worden. In der Zusammenfassung des einleitenden Überblicksartikels von Anurag A. Agrawal (einem der namhafteren Theoretiker dieses neuen Forschungsgebietes) werden recht treffend einige wesentliche, mit dem Thema zusammen hängende Probleme benannt:
"Does convergence primarily indicate adaptation or constraint?" Also: "Ist Konvergenz vornehmlich eine Folge der Anpassung oder von evolutionären Zwängen?" Hier wird schon deutlich, daß sich gewöhnliche Hardcore-Darwinisten schwer damit tun, das zu verstehen, was schon Manfred Eigen nannte: "Naturgesetze steuern den Zufall" (Untertitel seines Buches "Das Spiel"). Daß es innere Gestaltungsprinzipien der Evolution geben könne (von denen Conway Morris ausgeht), daß es also eine Zielgerichtetheit der Weltentstehung und der Evolution geben könne, das anzunehmen, scheint immer noch ein Sakrileg zu sein. Man hüllt diesen Gedanken, wenn man es recht versteht, in den weit gefaßten Begriff "adaption", "Anpassung".
Die Fragestellungen scheinen also noch sehr eingeschränkte zu sein. Dabei hat Conway Morris noch viel grundlegendere aufgeworfen, wie mir scheint. Weiter Angrawal: "How often should convergence be expected?" Wie oft Konvergenz erwartet werden sollte? Ob das derzeit überhaupt eine sinnvolle Frage ist? Und weiter: "Are there general principles that would allow us to predict where and when and by what mechanisms convergent evolution should occur?" Auch diese Frage dürfte doch zu anspruchsvoll sein, um beantwortet werden zu können. "What role does natural history play in advancing our understanding of general evolutionary principles?"
(Leider gehören die meisten, die sich für dieses Thema interessieren - wie ich - "nur" zu den Steuerzahlern, die solche Forschungen finanzieren und nicht zu den Privilegierten, die Zugang zum Vollartikel haben. Deshalb kann sich Otto Normalverbraucher diese Ausführungen derzeit nicht genauer anschauen.)
http://www.journals.uchicago.edu/toc/an/2017/190/S1
http://www.journals.uchicago.edu/toc/an/2017/190/S1
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