Freitag, 1. September 2017

Begeisternde Vorträge von Simon Conway Morris auf Youtube

Begeisternde Vorträge von Simon Conway Morris auf Youtube

Seit etwa 2004/05 bin ich hell begeistert von den Forschungen des britischen Paläontologen Simon Conway Morris. 2004 hatte Richard Dawkins in seinem wunderschönen Buch "The Ancesteror's Tale" auf das ein Jahr zuvor erschienene Buch von Simon Conway Morris "Life's Solution" aufmerksam gemacht, das ich mir darauf sofort anschaffte, und durch dessen sehr schwierigen Inhalt ich mich in vielen Wochen kämpfte. Inzwischen sind beide Bücher auch in deutscher Sprache verfügbar. Conway Morris publiziert bis heute wegleitende Forschungen (wie ich auf meinem Blog erst vor wenigen Monaten wieder gezeigt habe). Er vertritt in seinen Forschungen die These, daß die Evolution in den wesentlichsten Abläufen nicht zufallsgeleitet ist, sondern daß der Mensch "unvermeidlich" Ergebnis der Evolution sei, ja, jüngst sogar, daß die Evolution mit ihm an ihr Ende gelangt sei, da sie Komplexeres als das, was sie hervorgebracht hat, nicht hervorbringen könne.

Alle diese Gedanken decken sich in geradezu erstaunlichem Umfang mit der philosophischen Deutung der Evolution wie sie 1921 und 1923 durch Mathilde Ludendorff im wesentlichen auf einem intuitiven Erkenntnisweg gewonnen worden war. Aufgrund ihrer damaligen Intuitionen vertritt ihre Philosophie nicht nur die Zielgerichtetheit der Evolution, sondern auch den Gedanken, daß die Evolution mit der Entstehung bewußten Lebens im Wesentlichen an ihr Ende gelangt sei. Und aus diesen Umständen leitet sie eine Deutung des Sinnes des Menschenlebens hier auf dieser Erde ab, eine religiöse Weltsicht, die jedem Menschenleben große Bedeutung zuspricht.

Sie sagt auch, daß bewußtes Leben in diesem Weltall nur ein einziges mal zu gleicher Zeit auf einem Planeten verwirklicht ist, ein Gedanke, der sich ebenfalls bei Conway Morris - aufgrund empirischer Forschungen - wiederfindet schon im Untertitel seines Buches: "Inevitable Humans in a Lonely Universe". Es ist mit den Forschungen von Conway Morris eine völlig neue Sichtweise auf Evolution in die empirische Forschung eingeführt worden als sie von Charles Darwin 1859 vorgeschlagen worden war. Darwin hatte das "Überleben des Stärkeren" als den Hauptantrieb der Evolution angesprochen. Conway Morris hingegen benennt - im Einklang mit Mathilde Ludendorff - das Prinzip "Unvermeidlichkeit" als Hauptantrieb der Evolution. Hier ist also ein grundlegend neues Denken zu konstatieren.

Angesichts des Umstürzenden der empirischen Forschungen von Simon Conway Morris, die zugleich in einem solchen Umfang in Übereinstimmung stehen mit 80 Jahre zuvor vornehmlich intuitiv gewonnenen philosophischen Erkenntnissen, ist es bedauerlicher, daß es immer noch sehr SCHWIERIG ist, Simon Conway Morris in den meisten seiner im Internet verfügbaren Vorträge zu folgen - zumindest wenn man die englische Sprache nicht allzu sehr gewohnt ist. Er macht unglaublich viele Abschweifer in seinen Vorträgen, alle unglaublich geistreich und witzig, oft auch sehr belehrend. Und das mag sehr kennzeichnend für diesen genialen Forscher sein. In seinen Genen scheint geradezu eine Neigung zum Klassenclown zu liegen. Jedenfalls geht ja auch aus seinen Büchern hervor die starke Neigung, nicht auf gewohnten Bahnen zu denken, sondern die Kühnheit, ganz anders als alle anderen zu denken. Und das ist mitunter auch faszinierend, in seinen Vorträgen zu beobachten.

Ein großer Nachteil dieses Umstandes ist, wie gesagt, daß jemand, der die englische Sprache nicht täglich hört oder spricht, es dadurch sehr schwer hat, seinen Vorträgen zu folgen, ja, überhaupt oft nur den "Flair" derselben einzufangen.

So spricht er in einem Vortrag, der einen eigentlich inhaltlich sehr interessieren könnte ("Is Convergence becoming too popular?" aus dem Jahr 2014) über weite Strecken über alles mögliche, nur nicht über die gestellte Frage. So erwähnt und empfiehlt er etwa das Buch "Die Schlafwandler" des britischen Historikers Christopher Clark über den Ausbruch des Ersten Weltkrieges und wie dort so gut wie alle Politiker als unglaublich "nasty", also als abgrundtief böse aufscheinen. Im nächsten Abschweifer erzählt er über "What if"-Geschichten (die in seinem Nachdenken über Evolution eine große Rolle spielen) und erwähnt ein Buch, das sich vorstellt, was gewesen wäre, wenn Großbritannien 1940 mit Hitler Frieden geschlossen hätte. Im nächsten Abschweifer erwähnt er kurz den EU-Politiker Jean-Claude Juncker und dessen Meinung, daß man als Politiker lügen müsse, womit Conway Morris darauf zurück kommt, daß sich seit 1914 nichts geändert habe (auch Cameron erwähnt er wohl in diesem Sinne, wenn man es recht versteht).

All das ist hoch interessant und geistreich und man geht politisch mit ihm überall mit, freut sich über seine starken und schneidenden Urteile. So deutlich äußert sich nicht jeder Naturwissenschaftler. Er zeigt damit auch seine große Allgemeinbildung auf, die man sich von manchem anderen Biologen/ Naturwissenschaftler ebenfalls gerne wünschen würde. Aber aufgrund dessen muß man oft lange warten, bis man den Hauptgedanken dessen, was Conway Morris vortragen will, überhaupt zu fassen bekommen hat. Ich habe es deshalb erst einmal aufgegeben, dem genannten Vortrag weiter zu folgen. Und ich weiß einstweilen keinen eindrucksvollen Vortrag von Conway Morris zu nennen über seine Forschungen der letzten Jahre, den man für Menschen, die nicht Englisch ihre Muttersprache nennen, als leichter verständlich auch weiter empfehlen könnte.

Eine Vortragsreihe aus dem Jahr 1996

Was ich aber glücklicherweise finde und was man unglaublich spannend finden kann, ist eine prominente öffentliche Vortragsreihe, die Professor Simon Conway Morris 1996 über sein Fachgebiet gehalten hat, und die vom BBC für das Fernsehen aufgezeichnet worden ist (1). Ähnliche Vorträge sind auch von Richard Dawkins bekannt. Und man wundert sich, warum man sich an solche unglaublich aufregenden, begeisternden Vorträge über Evolution im deutschen Fernsehen und in deutscher Sprache gar nicht erinnern kann. (Oder ist einem da etwas entgangen?)

Dabei sind solche Vorträge von immenser Wichtigkeit. Die schon genannte Philosophin Mathilde Ludendorff hatte sich begonnen, für sehr grundlegende Fragen der Evolution zu interessieren aufgrund der berühmten Vorträge ihres weltweit hoch angesehenen Lehrers August Weismann "Über Deszendenztheorie", die sie während ihres Medizinstudiums in Freiburg/Br. hörte, und die auch in schriftlicher Form vorliegen.

Ähnlich spannende Vorträge und Vortragsreihen möchte man gerne auch in deutscher Sprache für den heutigen Wissensstand hören. Die genannte Vortragsreihe von Simon Conway Morris ist natürlich in Englisch, aber sie darf dennoch viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, da sie von einem genialen Wissenschaftler gehalten wurde. Damals war er noch jünger und er hielt sich damals noch durchgehend sehr eng an sein Thema. Schon gleich am Anfang ist es aufregend zu sehen, wie er Fossilien in die Hand nimmt und über sie erzählt. Hier spricht ein Mensch, der zutiefst fasziniert ist von seinem Forschungsfeld, und der befähigt ist, auch andere für dasselbe zu begeistern. Deshalb sei gerne auf diese Videos verwiesen. Diese 5-teilige BBC-Serie aus dem Jahr 1996 ist auf Youtube gerade erst eingestellt worden und es bleibt zu hoffen, daß sie hier auch erhalten bleibt.

Am Ende des ersten Teiles etwa erzählt Conway Morris Dinge über die Formung von Stromatolithen durch Bakterien, die Photosynthese betrieben, vor etwa 1 Mrd. Jahre, von denen auch über Evolution schon belesenere Menschen nicht unbedingt etwas gewußt haben werden. Etwa, daß man aufgrund ihrer Beschaffenheit folgern kann, daß damals das Jahr nicht 365 Tage hatte wie heute, sondern über 400 Tage, weil sich damals die Erde noch schneller drehte, weil der Mond damals noch näher zur Erde stand. Er entfernt sich allmählich immer mehr, wodurch die Erddrehung abgebremst wird, so Conway Morris.

Im dritten Teil erklärt Conway Morris sehr begeisternd Massenaussterben durch Meteroiten-Einschläge. Im vierten Teil behandelt er den berühmten Burgess Shale und die sogenannte Kambrische (Arten-)Revolution vor 550 Mio. Jahren, also sein eigenes Forschungsgebiet.
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1. Conway Morris, Simon: The History in Our Bones. The Royal Institution Christmas Lectures. In fünf Teilen, 1996
https://www.youtube.com/watch?v=vNPuyTNntrc&feature=share

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