Mittwoch, 30. August 2017

Volksstämme in Indien, die aus Gründerpopulationen hervorgegangen sind wie die aschkenasischen Juden

Volksstämme in Indien, die aus Gründerpopulationen hervorgegangen sind wie die aschkenasischen Juden

Das Volk der aschkenasischen Juden zählt heute weltweit über 10 Millionen Menschen, stammt aber von einer Gründerpopulation ab, die vor grob tausend Jahren am Rhein gelebt hat und nur wenige hundert Individuen umfasste. Innerhalb der tausend Jahre haben sich die aschkenasischen Juden kaum noch mit anderen Völkern vermischt, auch nicht mit den sephardischen Juden. Deshalb sind die aschkenasischen Juden für die Humangenetiker sehr interessant. Man fand bei ihnen zahlrreiche genetische Eigenschaften, insbesondere aber auch Erbkrankheiten, die bei ihnen in besonderer Häufigkeit vorkommen, und die in Bezug zu der ausgebildeten Kultur gesetzt werden können, bzw. auf die nun auch das Gesundheitssystem reagieren kann.

Ähnliche Verhältnisse liegen vor bei den Finnen, den Amischen, den Hutterern, den Sarden (auf Sardinien) und den französischsprachigen Kanadiern. Sie alle gingen aus vergleichsweise kleinen Gründerpopulationen hervor, weshalb sich in ihnen jeweils für sie typische Erbrkankheiten (und natürlich sonstige Erbeigenschaften) gehäuft haben.

In einer neuen Studie (1) stellen nun Humangenetiker um David Reich fest, daß es Völker wie die aschkenasischen Juden, die aus kleinen Gründerpopulationen hervorgegangen sind und sich seither nicht vermischt haben, sehr viele in Indien und den angrenzenden Ländern gibt (in "Südasien"). Es wird hier ein IBD-Wert festgestellt (IBD="Identical by descent"), ein Wert, der die genetische Ähnlichkeit von Volksangehörigen aufgrund von gemeinsamer Abstammung bestimmt. Und es wird festgestellt, daß es in Südasien Völker und Volksstämme gibt, die einen noch höheren IBD-Wert als die aschkenasischen Juden oder die anderen genannten Gruppierungen haben, zumindest aber einen vergleichbaren wie sie.

Das heißt, in diesen Volksstämmen können jeweils genetische Besonderheiten erforscht werden, hervorgegangen auch aus Gen-Kultur-Koevolution, wie sie in anderen, größeren Gruppen und Völkern mit höherem Vermischungsgrad weniger gut und leicht erforscht werden können.

Zu diesen Volkstämmen auf dem indischen Kontinent zählen die Gurjar, Baniyas, Pattapu Kapu, Vadde, Yadav, Kshatriya Aqnikula, der berühmte "Kopfjäger"-Stamm der Naga, die Kumhar, Reddy, die Brahminen Nepals, die Kallar, die Brahminen Manipuris, die Arunthathiyar und die Vysya. Man hofft, in jeder dieser Volksstämme einen bestimmten Satz von rezessiven Erbrkankheiten feststellen zu können, der für genau diesen Volksstamm typisch ist, um darauf dann über das Gesundheitsystem besser reagieren zu können.

Natürlich kann jeder dieser Volksstämme auch besondere positive genetische Eigenschaften und Begabungen hervorgebracht haben, vergleichbar dem hohen angeborenen Intelligenz-Quotient der aschkenasischen Juden.

In diesem Zusammenhang fällt einem ein: Wenn Libanesen von vielen Menschen weltweit als die "geborenen Händler" erlebt werden und sich auch selbst so erleben, könnte auch das auf bestimmten angeborenen Neigungen und Begabungen beruhen, die über Gründerpopulationen bei diesen eine höhere Dichte als sonst hervor gebracht haben. Ähnliches gilt für Neigungen zum Handwerk. Nach solchen Eigenschaften, die für einzelne Volksstämme besonders typisch sind, könnte man jetzt auch bei den genannten indischen Stämmen schauen und ihre etwaige genetische Grundlage erforschen.

Bei den sehr konservativen Amischen und Hutterern hingegen dürften angeborene Neigungen etwa zu ADHS weit unterdurchschnittlich verbreitet sein.

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1. The promise of discovering population-specific disease-associated genes in South Asia. Autoren: Nathan Nakatsuka u.a.; David Reich & Kumarasamy Thangaraj . In: Nature Genetics 49, 1403–1407 (2017) doi:10.1038/ng.3917, 17 July 2017, http://www.nature.com/ng/journal/v49/n9/full/ng.3917.html, bzw. https://www.researchgate.net/publication/318477993_The_promise_of_discovering_population-specific_disease-associated_genes_in_South_Asia
https://www.researchgate.net/publication/318477993_The_promise_of_discovering_population-specific_disease-associated_genes_in_South_Asia

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