Fisch, Leinöl - und die Intelligenz-Evolution des Menschen
- Große Völkervielfalt in der angeboren unterschiedlichen Verdauung von Omega-3-Fettsäuren
Als sich der Mensch über die Erde verbreitete, hat er die unterschiedlichsten Ernährungsgewohnheiten angenommen. Es gibt Völker, die ernähren sich fast nur von Fisch, andere Völker ernähren sich fast nur von Fleisch, andere Völker ernähren sich fast nur von Pflanzen, wieder andere ernähren sich aus einer Kombination von Möglichkeiten. Indem der Mensch eine solche Vielfalt von Ernährungsgewohnheiten ausbildete, schaffte er jeweils neue Selektionsbedingungen für seine Verdauungsgene.
Das ist gut bekannt für die angeborene Fähigkeit, als Erwachsener Rohmilch verdauen zu können, die in Skandinavien über 90 Prozent aller Menschen besitzen, in anderen Teilen der Welt aber viel weniger Menschen und die auch die ersten europäischen Bauern und Rinderzüchter gar nicht besaßen, die also eine angeborene Fähigkeit darstellt, die evolutionär sehr jung ist, sich erst in der Bronzezeit von Skandinavien aus ausgebreitet hat.
Ein anderer wichtiger Bereich, der gegenwärtig sehr intensiv erforscht wird, ist die Verdauung von Omega-3-Fettsäuren. Auf Wikipedia kann man nachlesen, was für ein bedeutsamer Bereich das überraschenderweise ist. Pflanzen enthalten fast ausschließlich α-Linolensäure, während in Fettfischen - wie Aal, Karpfen und Sardine - und Algen, etwa Rotalgen, vorwiegend Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) vorkommen können. Leinöl ist besonders reich an ihnen, Olivenöl hat gar keine. Jene pflanzlicher Herkunft werden vom Körper aber zum Teil in jene tierlicher Herkunft umgewandelt - wofür es besondere Gene gibt, die Völker, die sich von Fisch ernähren, nicht brauchen. Denn diejenigen tierlicher Herkunft müssen weniger umgewandelt werden.
Mangel an Omega-3-Fettsäuren hat erstaunlicherweise viele nachweisbare Folgen: Herzerkrankungen werden wahrscheinlicher und sogar in der Schwangerschaft wirkt er sich aus: "Der Intelligenzquotient von 4-jährigen Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft und während der ersten drei Monate nach der Geburt täglich 2 g Eicosapentaen- und Docosahexaensäure supplementierten, war in einer, mit 83 Teilnehmern recht kleinen, Interventionsstudie mit 106 Punkten 4 Punkte höher als bei Kindern von Müttern die Maiskeimöl, das praktisch keine Omega-3-Fettsäuren enthält, einnahmen." Deshalb wird der Verzehr zweier Portionen fetten Fischs (beispielsweise Lachs oder Makrele) pro Woche für schwangere und stillende Frauen empfohlen.
Auch bei Depression, Schizophrenie, Alzheimer, Borderline und ADHS wirkt sich eine Mehreinnahme von Omega-3-Fettsäuren positiv aus. Wahnsinn. So alles auf Wikipedia.
Und nun sagt die Genforschung neuerdings dazu (noch nicht auf Wiki eingearbeitet), daß Völker, die natürlicherweise weniger Fisch essen, dies durch bestimmte Genvarianten kompensieren können, die sie leichter Omega-3-Fettsäuren pflanzlicher Herkunft in solche tierlicher Herkunft umwandeln lassen können. Das wird auch schon anhand von ancient-DNA-Studien deutlich:
Among the hunter-gatherers, the less vegetarian haplotype (a combination of several gene variants that are passed on together) was favoured, while the introduction of agriculture switched the selection to favour a boost in endogenous synthesis of omega-3 fatty acids. (...) The switch from the meat-eater to the vegetarian haplotype was more pronounced in southern Europe than in the north. The researchers attribute this geographic difference to the higher proportion of fish in the diet of northern Europeans both before and after the switch to agriculture. The use of milk by northern European farmers may have further blurred the effect seen more clearly in the south.
Another study (...) has compared Bronze Age human genes with modern ones and identified several single nucleotide polymorphisms linked to the adaptation of the fatty acid metabolism to the prevailing diet, which all tended to undergo selection for more efficient omega-3 synthesis after the introduction of agriculture (Mol. Biol. Evol. (2017), 34, 1307–1318). The researchers conclude that “selection in the FADS region is complex and has targeted several loci across different populations”. (...)
The bottom line is that most people (...) cannot know whether they would benefit from eating more or less fish, from becoming vegetarian, or from supplementing with omega-3 products if they already are vegetarians.
Auf jeden Fall dürfte das heißen, daß man als Nordeuropäer in der Tat gut tut, häufiger Fisch zu essen, da das ein sehr traditioneller Nahrungsbestandteil war. (In Haveldörfern zum Beispiel hatte jeder Bauernhof Fischereirechte und es wurde viel Fisch gegessen.)
Auch dürfte die Sequenzierung des persönlichen Genoms in der Tat weiter helfen, um zu sehen, ob man mehr "nordic diet" zu sich nehmen sollte oder mehr mediterrane. Insgesamt scheint es sich derzeit noch um ein sehr komplexes Thema zu handeln. Aber es wird schon deutlich, daß es in diesem Bereich in den letzten Jahrtausenden und regional viel Selektion gegeben hat, was zusätzlich darauf aufmerksam macht, wie bedeutsam dieser ganze Bereich zu sein scheint.
(Michael Gross übrigens, dessen Artikel uns auf diese Dinge aufmerksam machte, ist ein deutscher Wissenschaftsjournalist, den man außerhalb von Chemie-Interessierten vielleicht noch nicht so deutlich wahrgenommen hat, er war mir jedenfalls bislang ganz unbekannt.)
https://www.goodreads.com/author_blog_posts/15532825-seafood-genes
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982217308783#
https://de.wikipedia.org/wiki/Omega-3-Fetts%C3%A4uren
(Michael Gross - How our diet changed our evolution - Current Biology August 2017)
https://www.goodreads.com/author_blog_posts/15532825-seafood-genes
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