Montag, 30. Oktober 2017

Social Brain-Hypothese nicht unumstritten

Social Brain-Hypothese nicht unumstritten

Die Social Brain-Hypothese (SBH) des britischen Anthropologen Robin Dunbar und anderen, die seit den 1980er Jahren entwickelt wurde und nach der die Gehirnevolution bei Primaten mit den Anforderungen der Gruppengröße in Zusammenhang steht und es deshalb eine Korrelation zwischen beiden gibt, ist nicht unumstritten (1, 2).

Ich habe bislang immer große Stücke auf sie gehalten und tue es auch weiterhin.

Aber manche Forscher meinen, daß diese Hypothese bislang nicht zuverlässig genug durch Daten abgesichert ist (2). Außerdem gibt es alternative Erklärungen für die Gehirnevolution, etwa ökologische Zwänge (2). Sie formulieren ihre Einwände aber mit Zurückhaltung und ein ähnlich "großer Wurf" ist ansonsten nirgendwo erkennbar.

Dunbar argumentiert (1), daß es sechs Schlüsselkriterien gibt, die die Social Brain-Hypothese allesamt erklären kann, von denen alternative Hypothesen aber jeweils nur einzelne erklären können:

(i) primates have larger brains than other animals
(ii) quantitative variation in primate brain size
(iii) brain size correlates with group size in primates
(iv) primate sociality is complex (bonded)
(v) pairbonded non-primates have large brains
(vi) some primates are more innovative technically

Und er sagt dazu (1):

"Because SBH sensu stricto is about the quality of relationships (and their functionality as coalitions) and not simply about group size, this hypothesis naturally also explains the evolution of pairbonding in non-primates, thus providing a unitary explanation for brain evolution across all mammals and birds. At the same time, it is clear that the other components (or hypotheses) play significant structural roles."

Er ignoriert also nicht die Rolle anderer Zwänge und Selektionsdrücke wie eben vor allem den Lebensraum (Ökologie). Tatsächlich aber legt Dunbar inzwischen auf den Zusammenhang zwischen Paarbindung und Gehirnevolution (bei allen Säugetieren, die nicht Primaten sind) fast das stärkste argumentative Gewicht.

Ich glaube also, die SBH bleibt weiter von Bedeutung und sollte durch ähnlich umfassende Hypothesen in einheitlicher Weise erweitert und ergänzt werden.
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1. Dunbar/Shultz: Why are there so many explanations for primate brain evolution? Juli 2017, http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/284/1865/20171765
2. Lauren E. Powell, Karin Isler, Robert A. Barton: Re-evaluating the link between brain size and behavioural ecology in primates, Oktober 2017 http://rstb.royalsocietypublishing.org/content/372/1727/20160244
http://rstb.royalsocietypublishing.org/content/372/1727/20160244

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