Volksstämme in Indien, die aus Gründerpopulationen hervorgegangen sind wie die aschkenasischen Juden
Das Volk der aschkenasischen Juden zählt heute weltweit über 10 Millionen Menschen, stammt aber von einer Gründerpopulation ab, die vor grob tausend Jahren am Rhein gelebt hat und nur wenige hundert Individuen umfasste. Innerhalb der tausend Jahre haben sich die aschkenasischen Juden kaum noch mit anderen Völkern vermischt, auch nicht mit den sephardischen Juden. Deshalb sind die aschkenasischen Juden für die Humangenetiker sehr interessant. Man fand bei ihnen zahlrreiche genetische Eigenschaften, insbesondere aber auch Erbkrankheiten, die bei ihnen in besonderer Häufigkeit vorkommen, und die in Bezug zu der ausgebildeten Kultur gesetzt werden können, bzw. auf die nun auch das Gesundheitssystem reagieren kann.
Ähnliche Verhältnisse liegen vor bei den Finnen, den Amischen, den Hutterern, den Sarden (auf Sardinien) und den französischsprachigen Kanadiern. Sie alle gingen aus vergleichsweise kleinen Gründerpopulationen hervor, weshalb sich in ihnen jeweils für sie typische Erbrkankheiten (und natürlich sonstige Erbeigenschaften) gehäuft haben.
In einer neuen Studie (1) stellen nun Humangenetiker um David Reich fest, daß es Völker wie die aschkenasischen Juden, die aus kleinen Gründerpopulationen hervorgegangen sind und sich seither nicht vermischt haben, sehr viele in Indien und den angrenzenden Ländern gibt (in "Südasien"). Es wird hier ein IBD-Wert festgestellt (IBD="Identical by descent"), ein Wert, der die genetische Ähnlichkeit von Volksangehörigen aufgrund von gemeinsamer Abstammung bestimmt. Und es wird festgestellt, daß es in Südasien Völker und Volksstämme gibt, die einen noch höheren IBD-Wert als die aschkenasischen Juden oder die anderen genannten Gruppierungen haben, zumindest aber einen vergleichbaren wie sie.
Das heißt, in diesen Volksstämmen können jeweils genetische Besonderheiten erforscht werden, hervorgegangen auch aus Gen-Kultur-Koevolution, wie sie in anderen, größeren Gruppen und Völkern mit höherem Vermischungsgrad weniger gut und leicht erforscht werden können.
Zu diesen Volkstämmen auf dem indischen Kontinent zählen die Gurjar, Baniyas, Pattapu Kapu, Vadde, Yadav, Kshatriya Aqnikula, der berühmte "Kopfjäger"-Stamm der Naga, die Kumhar, Reddy, die Brahminen Nepals, die Kallar, die Brahminen Manipuris, die Arunthathiyar und die Vysya. Man hofft, in jeder dieser Volksstämme einen bestimmten Satz von rezessiven Erbrkankheiten feststellen zu können, der für genau diesen Volksstamm typisch ist, um darauf dann über das Gesundheitsystem besser reagieren zu können.
Natürlich kann jeder dieser Volksstämme auch besondere positive genetische Eigenschaften und Begabungen hervorgebracht haben, vergleichbar dem hohen angeborenen Intelligenz-Quotient der aschkenasischen Juden.
In diesem Zusammenhang fällt einem ein: Wenn Libanesen von vielen Menschen weltweit als die "geborenen Händler" erlebt werden und sich auch selbst so erleben, könnte auch das auf bestimmten angeborenen Neigungen und Begabungen beruhen, die über Gründerpopulationen bei diesen eine höhere Dichte als sonst hervor gebracht haben. Ähnliches gilt für Neigungen zum Handwerk. Nach solchen Eigenschaften, die für einzelne Volksstämme besonders typisch sind, könnte man jetzt auch bei den genannten indischen Stämmen schauen und ihre etwaige genetische Grundlage erforschen.
Bei den sehr konservativen Amischen und Hutterern hingegen dürften angeborene Neigungen etwa zu ADHS weit unterdurchschnittlich verbreitet sein.
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1. The promise of discovering population-specific disease-associated genes in South Asia. Autoren: Nathan Nakatsuka u.a.; David Reich & Kumarasamy Thangaraj . In: Nature Genetics 49, 1403–1407 (2017) doi:10.1038/ng.3917, 17 July 2017, http://www.nature.com/ng/journal/v49/n9/full/ng.3917.html, bzw. https://www.researchgate.net/publication/318477993_The_promise_of_discovering_population-specific_disease-associated_genes_in_South_Asia
https://www.researchgate.net/publication/318477993_The_promise_of_discovering_population-specific_disease-associated_genes_in_South_Asia
Evolution - Evolutionäre Anthropologie - Geschichte und Gesellschaft
Mittwoch, 30. August 2017
Stammen unsere ältesten Märchen aus der Bronzezeit und von den Indogermanen?
Stammen unsere ältesten Märchen aus der Bronzezeit und von den Indogermanen?
Neue Impulse für die Märchenforschung
Eine Studie aus dem letzten Jahr (1-5) verfolgt die bestechende These, daß die Gemeinsamkeiten von Märcheninhalten von Völkern indogermanischer Sprache auf einen gemeinsamen Ursprung hinweisen könnte, der bis in die Bronzezeit und bis zum Urvolk der Indogermanen zurückreichen könnte. Damit würden sie bestätigen, was schon die Gebrüder Grimm über die Volksmärchen „Die Schöne und das Biest“ und „Rumpelstilzchen“ notiert hatten (2):
„Beide Märchen können mit Sicherheit zurückverfolgt werden bis zur Entstehung der wichtigsten Unterfamilien des westlichen Indogermanischen als klar von einander abgegrenzte Abstammungslinien – vor 2500 bis 6000 Jahren.“
Das würde einen natürlich einen tiefen Blick werfen lassen können in die Vorstellungswelten unserer Vorfahren, sogar abgestuft nach Zeitepochen, bzw. Kulturgruppe.
Aber sind die Märcheninhalte nicht gar zu allgemein klassifiziert im sogenannten "Aarne-Thompson-Index" (6), mit dem hier gearbeitet wird? Es wurde letztes Jahr sehr schön in der "Welt" erläutert (2):
"Rekordhalter ist das weniger bekannte Märchen „Der Schmied und der Teufel“, das in den Grimm’schen „Kinder- und Hausmärchen“ nur in der Erstauflage stand. Es wurde Jacob und Wilhelm 1812 von Marie Hassenpflug erzählt. Das wäre dann, laut Tehrani und da Silva, knapp 5800 Jahre nach seiner Entstehung gewesen. Sie datieren die Entstehung der Geschichte auf die Zeit vor 6000 Jahren.
Die Grundhandlung, die in der indoeuropäischen Welt von Indien bis Skandinavien auftaucht, schildere den Handel eines Schmieds mit einem bösartigen übernatürlichen Wesen (das kann der Teufel, ein Dschinn oder der Tod sein). Der Schmied verkauft seine Seele, um Zauberkräfte zu bekommen, die er dann wiederum nutzt, um den dämonischen Widersacher auszutricksen.
Die Datierung des Märchens stehe, so die Forscher, auch in Übereinstimmung mit der Kurgan- oder Steppenhypothese, wonach die Ursprünge der Indoeuropäer in der Gegend um Kurgan in der pontischen Steppe liegen."
Ziemlich irre, diese These. Warum aber kann man sich dann an so wenige Gemeinsamkeiten zwischen der deutschen Märchen- und Sagenwelt und der griechisch-antiken erinnern?
Allerdings haben die Autoren gerade schon wieder mit einer neuen Studie nachgelegt, in der die Märchen-Verwandtschaften noch weit über den indogermanischen Sprachraum hinaus statistisch untersucht werden (7).
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1. Comparative phylogenetic analyses uncover the ancient roots of Indo-European folktales. Sara Graça da Silva, Jamshid J. Tehrani, 2016, http://rsos.royalsocietypublishing.org/content/3/1/150645
2. Heine, Matthias: Warum die Brüder Grimm doch recht hatten. In: Die Welt, 23.01.2016, https://www.welt.de/kultur/article151369664/Warum-die-Brueder-Grimm-doch-recht-hatten.html
4. https://www.heise.de/tp/features/Maerchen-sollen-bis-in-die-Bronzezeit-zurueckreichen-3377969.html
4. http://sciencev2.orf.at/stories/1766437/index.html
5. http://rsos.royalsocietypublishing.org/content/royopensci/3/1/150645/F4.large.jpg
6. https://de.wikipedia.org/wiki/Aarne-Thompson-Index
7. Inferring patterns of folktale diffusion using genomic data Eugenio Bortolinia,b,c,1,2, Luca Paganid,e,1, Enrico R. Cremaf, Stefania Sarnoc, Chiara Barbierig, Alessio Boattinic, Marco Sazzinic, Sara Graça da Silvah, Gessica Martinii, Mait Metspalud, Davide Pettenerc, Donata Luisellic, and Jamshid J. Tehrani, http://www.pnas.org/content/114/34/9140.abstract.html?etoc
http://rsos.royalsocietypublishing.org/content/3/1/150645
Neue Impulse für die Märchenforschung
Eine Studie aus dem letzten Jahr (1-5) verfolgt die bestechende These, daß die Gemeinsamkeiten von Märcheninhalten von Völkern indogermanischer Sprache auf einen gemeinsamen Ursprung hinweisen könnte, der bis in die Bronzezeit und bis zum Urvolk der Indogermanen zurückreichen könnte. Damit würden sie bestätigen, was schon die Gebrüder Grimm über die Volksmärchen „Die Schöne und das Biest“ und „Rumpelstilzchen“ notiert hatten (2):
„Beide Märchen können mit Sicherheit zurückverfolgt werden bis zur Entstehung der wichtigsten Unterfamilien des westlichen Indogermanischen als klar von einander abgegrenzte Abstammungslinien – vor 2500 bis 6000 Jahren.“
Das würde einen natürlich einen tiefen Blick werfen lassen können in die Vorstellungswelten unserer Vorfahren, sogar abgestuft nach Zeitepochen, bzw. Kulturgruppe.
Aber sind die Märcheninhalte nicht gar zu allgemein klassifiziert im sogenannten "Aarne-Thompson-Index" (6), mit dem hier gearbeitet wird? Es wurde letztes Jahr sehr schön in der "Welt" erläutert (2):
"Rekordhalter ist das weniger bekannte Märchen „Der Schmied und der Teufel“, das in den Grimm’schen „Kinder- und Hausmärchen“ nur in der Erstauflage stand. Es wurde Jacob und Wilhelm 1812 von Marie Hassenpflug erzählt. Das wäre dann, laut Tehrani und da Silva, knapp 5800 Jahre nach seiner Entstehung gewesen. Sie datieren die Entstehung der Geschichte auf die Zeit vor 6000 Jahren.
Die Grundhandlung, die in der indoeuropäischen Welt von Indien bis Skandinavien auftaucht, schildere den Handel eines Schmieds mit einem bösartigen übernatürlichen Wesen (das kann der Teufel, ein Dschinn oder der Tod sein). Der Schmied verkauft seine Seele, um Zauberkräfte zu bekommen, die er dann wiederum nutzt, um den dämonischen Widersacher auszutricksen.
Die Datierung des Märchens stehe, so die Forscher, auch in Übereinstimmung mit der Kurgan- oder Steppenhypothese, wonach die Ursprünge der Indoeuropäer in der Gegend um Kurgan in der pontischen Steppe liegen."
Ziemlich irre, diese These. Warum aber kann man sich dann an so wenige Gemeinsamkeiten zwischen der deutschen Märchen- und Sagenwelt und der griechisch-antiken erinnern?
Allerdings haben die Autoren gerade schon wieder mit einer neuen Studie nachgelegt, in der die Märchen-Verwandtschaften noch weit über den indogermanischen Sprachraum hinaus statistisch untersucht werden (7).
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1. Comparative phylogenetic analyses uncover the ancient roots of Indo-European folktales. Sara Graça da Silva, Jamshid J. Tehrani, 2016, http://rsos.royalsocietypublishing.org/content/3/1/150645
2. Heine, Matthias: Warum die Brüder Grimm doch recht hatten. In: Die Welt, 23.01.2016, https://www.welt.de/kultur/article151369664/Warum-die-Brueder-Grimm-doch-recht-hatten.html
4. https://www.heise.de/tp/features/Maerchen-sollen-bis-in-die-Bronzezeit-zurueckreichen-3377969.html
4. http://sciencev2.orf.at/stories/1766437/index.html
5. http://rsos.royalsocietypublishing.org/content/royopensci/3/1/150645/F4.large.jpg
6. https://de.wikipedia.org/wiki/Aarne-Thompson-Index
7. Inferring patterns of folktale diffusion using genomic data Eugenio Bortolinia,b,c,1,2, Luca Paganid,e,1, Enrico R. Cremaf, Stefania Sarnoc, Chiara Barbierig, Alessio Boattinic, Marco Sazzinic, Sara Graça da Silvah, Gessica Martinii, Mait Metspalud, Davide Pettenerc, Donata Luisellic, and Jamshid J. Tehrani, http://www.pnas.org/content/114/34/9140.abstract.html?etoc
http://rsos.royalsocietypublishing.org/content/3/1/150645
Künstliche Genverdoppelung - Die Evolution läßt sich nicht so leicht in die Karten schauen
Künstliche Genverdoppelung - Die Evolution läßt sich nicht so leicht in die Karten schauen
"Evolution by Gene Duplication" hieß das berühmte Buch von Susumo Ohno aus dem Jahr 1970, dessen damals revolutionäre Inhalte heute Standardwissen der Evolutionsforschung sind, sprich: Große evolutionäre Schritte wurden vorbereitet oder waren begleitet von vielfältigen Gen- und Genom-Verdoppelungen, die eine vielfältige genetische Spielwiese für das Leben schufen, um neue Lebensformen auszuprobieren (womöglich in Form des erst jüngst formulierten "plasticity first model of evolution").
Aber im Detail zu erforschen, was unmittelbar nach Gen-Verdoppelungen geschieht, indem man sie einfach im Labor künstlich herstellt, ist offenbar nicht so einfach wie gedacht. Die Evolution läßt sich offenbar nicht so einfach in die Karten schauen.
In einer neuen Studie (1) wurden vereinzelte Gene des Pilzes "Saccharomyces cerevisiae" (Backhefe) künstlich verdoppelt und man hoffte nun beobachten zu können, was direkt nach einer solchen Genverdoppelung geschieht im Bereich der neuen Genablesung. Tatsächlich ändert sich allerhand in der Genablesung nicht nur der verdoppelten Gene. Im allgemeinen wird mehr abgelesen als zuvor. Dasselbe geschieht aber auch, wenn sich nur Umweltbedingungen ändern. Und es muß nicht zwangsläufig zur Verbesserung der Fitneß beitragen. Die wesentlichste Beobachtung scheint vielmehr die zu sein, daß die verdoppelten Gene einfach wieder heraus selektiert wurden in den nachfolgenden Generationen:
"... deletion of four out of five non-tandem artificial duplicates within 500 generations, with the first loss detected after 25 generations ..."
Scheinbar ist es also doch nicht ganz so einfach, die Evolution unter Laborbedingungen einfach mal so zu beobachten.
Ehrlich gesagt, hätte mich das auch sehr gewundert. Ob nicht auch sehr stark die Hitzeschock-Proteine dabei eine Rolle spielen müssen, jedenfalls sehr, sehr viel Überlebensstreß, bevor sich ein Individuum mit künstlich verdoppeltem Genom dazu "entschließt", mit Hilfe dieser neuen Gene sich nun neue Lebensmöglichkeiten zu erschließen? - Schließlich würde man dann unmittelbar beobachten können, wie Artbildung stattfindet. Und es würde mich sehr wundern, wenn das so leicht ginge, selbst bei so einfachen Lebewesen wie Pilzen.
Mehr zum Thema allgemein findet man übrigens in dem spannenden Buch von Joachim Bauer "Das kooperative Gen - Abschied vom Darwinismus" (2008), dessen Inhalt es sicher wert wäre, mit den seither erschienenen Forschungsstudien insgesamt abgeglichen zu werden, bzw. mit ihnen auf den neuesten Stand gebracht zu werden.
1. Rapid functional and evolutionary changes follow gene duplication in yeast
Samina Naseeb, Ryan M. Ames, Daniela Delneri, Simon C. Lovell, Proc. Royal Soc. B, August 2017
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/284/1861/20171393?cpetoc
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/284/1861/20171393?cpetoc
"Evolution by Gene Duplication" hieß das berühmte Buch von Susumo Ohno aus dem Jahr 1970, dessen damals revolutionäre Inhalte heute Standardwissen der Evolutionsforschung sind, sprich: Große evolutionäre Schritte wurden vorbereitet oder waren begleitet von vielfältigen Gen- und Genom-Verdoppelungen, die eine vielfältige genetische Spielwiese für das Leben schufen, um neue Lebensformen auszuprobieren (womöglich in Form des erst jüngst formulierten "plasticity first model of evolution").
Aber im Detail zu erforschen, was unmittelbar nach Gen-Verdoppelungen geschieht, indem man sie einfach im Labor künstlich herstellt, ist offenbar nicht so einfach wie gedacht. Die Evolution läßt sich offenbar nicht so einfach in die Karten schauen.
In einer neuen Studie (1) wurden vereinzelte Gene des Pilzes "Saccharomyces cerevisiae" (Backhefe) künstlich verdoppelt und man hoffte nun beobachten zu können, was direkt nach einer solchen Genverdoppelung geschieht im Bereich der neuen Genablesung. Tatsächlich ändert sich allerhand in der Genablesung nicht nur der verdoppelten Gene. Im allgemeinen wird mehr abgelesen als zuvor. Dasselbe geschieht aber auch, wenn sich nur Umweltbedingungen ändern. Und es muß nicht zwangsläufig zur Verbesserung der Fitneß beitragen. Die wesentlichste Beobachtung scheint vielmehr die zu sein, daß die verdoppelten Gene einfach wieder heraus selektiert wurden in den nachfolgenden Generationen:
"... deletion of four out of five non-tandem artificial duplicates within 500 generations, with the first loss detected after 25 generations ..."
Scheinbar ist es also doch nicht ganz so einfach, die Evolution unter Laborbedingungen einfach mal so zu beobachten.
Ehrlich gesagt, hätte mich das auch sehr gewundert. Ob nicht auch sehr stark die Hitzeschock-Proteine dabei eine Rolle spielen müssen, jedenfalls sehr, sehr viel Überlebensstreß, bevor sich ein Individuum mit künstlich verdoppeltem Genom dazu "entschließt", mit Hilfe dieser neuen Gene sich nun neue Lebensmöglichkeiten zu erschließen? - Schließlich würde man dann unmittelbar beobachten können, wie Artbildung stattfindet. Und es würde mich sehr wundern, wenn das so leicht ginge, selbst bei so einfachen Lebewesen wie Pilzen.
Mehr zum Thema allgemein findet man übrigens in dem spannenden Buch von Joachim Bauer "Das kooperative Gen - Abschied vom Darwinismus" (2008), dessen Inhalt es sicher wert wäre, mit den seither erschienenen Forschungsstudien insgesamt abgeglichen zu werden, bzw. mit ihnen auf den neuesten Stand gebracht zu werden.
1. Rapid functional and evolutionary changes follow gene duplication in yeast
Samina Naseeb, Ryan M. Ames, Daniela Delneri, Simon C. Lovell, Proc. Royal Soc. B, August 2017
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/284/1861/20171393?cpetoc
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/284/1861/20171393?cpetoc
Parallele Evolution gesteigerter Nachkommenfürsorge bei Pflanzen und Tieren in der Späten Kreide und im Frühen...
Parallele Evolution gesteigerter Nachkommenfürsorge bei Pflanzen und Tieren in der Späten Kreide und im Frühen Tertiär
In einem neuen Artikel in PNAS (1) wird ein enger Zusammenhang hergestellt zwischen der Evolution der Säugetiere und der Evolution der Angiospermen (der Bedecktsamer) im Späten Kreide-Zeitalter (der Hochzeit der Dinosaurier), eine Evolution, die sich fast übergangslos fortgesetzt hätte nach dem Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren. Dieser Zusammenhang zwischen den großen Trends der Evolution im Pflanzen- und Tierreich ist mir seit meinem Biologiestudium wichtig, weil es sich so offensichtlich um parallele, konvergente Evolution hinsichtlich gesteigerter Nachkommenfürsorge bei Pflanzen und Tieren handelt und weil diese ja quasi ein Grundtrend der Komplexitätszunahme in der Evolution überhaupt darstellt, wohl sogar der wesentlichste Grundtrend aller Komplexitätszunahme. In der Studie heißt es:
"The ordinal diversification of placentals in the Late Cretaceous and early Paleogene coincided with a genus-level radiation of multituberculates, a major clade of small Mesozoic mammals that also extended across the KPg boundary (56). Multituberculates appear to have shifted toward increased generic diversity, body size, and herbivory, and their diversification may have been a delayed response to the increasing dominance of angiosperms in Late Cretaceous floras (56)."
Also die Größenzunahme von mesozoischen Säugetieren wird verstanden als eine "verzögerte Reaktion auf die anwachsende Dominanz der Angiospermen im Pflanzenreich der Späten Kreide". Weiter heißt es:
"Most early placentals were likely insectivorous rather than herbivorous, but would have encountered new ecological opportunities as a result of the proliferation of insect herbivores and pollinators that undoubtedly accompanied the rise of angiosperms (57)."
Also:
"Die meisten Planzentatiere haben sich wahrscheinlich eher von Insekten als von Pflanzen ernährt. Aber ihnen haben sich neue ökologische Möglichkeiten eröffnet als ein Ergebnis der Vermehrung von pflanzenfressenden Insekten(-Arten) und Bestäubern, von denen die Ausbreitung der Angiospermen ohne Zweifel begleitet war."
56. Wilson GP, et al. (2012) Adaptive radiation of multituberculate mammals before the extinction of dinosaurs. Nature 483:457–460.
57. Moreau CS, Bell CD, Vila R, Archibald SB, Pierce NE (2006) Phylogeny of the ants: Diversification in the age of angiosperms. Science 312:101–104.
Hier der Titel der neuen Studie:
1. Genomic evidence reveals a radiation of placental mammals uninterrupted by the KPg boundary
Liang Liua,b,1, Jin Zhangc,1, Frank E. Rheindtd,1, Fumin Leie, Yanhua Que, Yu Wangf, Yu Zhangf, Corwin Sullivang, Wenhui Nieh, Jinhuan Wangh, Fengtang Yangi, Jinping Chenj, Scott V. Edwardsa,k,2, Jin Mengl, and Shaoyuan Wua,m,2
PNAS, Oktober 2017
http://www.pnas.org/content/114/35/E7282.abstract.html?etoc
http://www.pnas.org/content/114/35/E7282.abstract.html?etoc
In einem neuen Artikel in PNAS (1) wird ein enger Zusammenhang hergestellt zwischen der Evolution der Säugetiere und der Evolution der Angiospermen (der Bedecktsamer) im Späten Kreide-Zeitalter (der Hochzeit der Dinosaurier), eine Evolution, die sich fast übergangslos fortgesetzt hätte nach dem Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren. Dieser Zusammenhang zwischen den großen Trends der Evolution im Pflanzen- und Tierreich ist mir seit meinem Biologiestudium wichtig, weil es sich so offensichtlich um parallele, konvergente Evolution hinsichtlich gesteigerter Nachkommenfürsorge bei Pflanzen und Tieren handelt und weil diese ja quasi ein Grundtrend der Komplexitätszunahme in der Evolution überhaupt darstellt, wohl sogar der wesentlichste Grundtrend aller Komplexitätszunahme. In der Studie heißt es:
"The ordinal diversification of placentals in the Late Cretaceous and early Paleogene coincided with a genus-level radiation of multituberculates, a major clade of small Mesozoic mammals that also extended across the KPg boundary (56). Multituberculates appear to have shifted toward increased generic diversity, body size, and herbivory, and their diversification may have been a delayed response to the increasing dominance of angiosperms in Late Cretaceous floras (56)."
Also die Größenzunahme von mesozoischen Säugetieren wird verstanden als eine "verzögerte Reaktion auf die anwachsende Dominanz der Angiospermen im Pflanzenreich der Späten Kreide". Weiter heißt es:
"Most early placentals were likely insectivorous rather than herbivorous, but would have encountered new ecological opportunities as a result of the proliferation of insect herbivores and pollinators that undoubtedly accompanied the rise of angiosperms (57)."
Also:
"Die meisten Planzentatiere haben sich wahrscheinlich eher von Insekten als von Pflanzen ernährt. Aber ihnen haben sich neue ökologische Möglichkeiten eröffnet als ein Ergebnis der Vermehrung von pflanzenfressenden Insekten(-Arten) und Bestäubern, von denen die Ausbreitung der Angiospermen ohne Zweifel begleitet war."
56. Wilson GP, et al. (2012) Adaptive radiation of multituberculate mammals before the extinction of dinosaurs. Nature 483:457–460.
57. Moreau CS, Bell CD, Vila R, Archibald SB, Pierce NE (2006) Phylogeny of the ants: Diversification in the age of angiosperms. Science 312:101–104.
Hier der Titel der neuen Studie:
1. Genomic evidence reveals a radiation of placental mammals uninterrupted by the KPg boundary
Liang Liua,b,1, Jin Zhangc,1, Frank E. Rheindtd,1, Fumin Leie, Yanhua Que, Yu Wangf, Yu Zhangf, Corwin Sullivang, Wenhui Nieh, Jinhuan Wangh, Fengtang Yangi, Jinping Chenj, Scott V. Edwardsa,k,2, Jin Mengl, and Shaoyuan Wua,m,2
PNAS, Oktober 2017
http://www.pnas.org/content/114/35/E7282.abstract.html?etoc
http://www.pnas.org/content/114/35/E7282.abstract.html?etoc
Mittwoch, 16. August 2017
Afrikaner schlafen 40 Minuten kürzer pro Nacht als Europäer - Hat das etwas mit den IQ-Unterschieden zu tun?
Afrikaner schlafen 40 Minuten kürzer pro Nacht als Europäer - Hat das etwas mit den IQ-Unterschieden zu tun?
US-Amerikaner afrikanischer Abstammung schlafen durchschnittlich 40 Minuten weniger pro Nacht als US-Amerikaner europäischer Abstammung (5,6 versus 6,3 Stunden). Auch ist die eigentliche Schlafqualität weniger gut. Und auf diese Unterschiede führt eine neue Studie zu nicht geringen Teilen die ausgeprägten Unterschiede hinsichtlich von Herzkrankheiten und Diabetes zwischen Menschen europäischer und afrikanischer Abstammung zurück.
Dann stellt sich jetzt wohl die Frage, ob das unterschiedliche Schlafen auf genetischen Faktoren beruht. So wird es doch vermutlich sein. Und dann werden die Schlafgewohnheiten auch keineswegs so leicht zu ändern sein.
Ich überlege gerade, ob die Dauer und Qualität des Schlafes auch etwas mit der Evolution des durchschnittlichen IQ's in der jeweiligen Menschengruppe zu tun hat? Das fände ich fast nahe liegend. Mit einem höheren IQ werden pro Zeiteinheit wohl mehr Informationen verarbeitet. Und bekanntlich muß das Verarbeiten von Information im wachen Zustand kompensiert werden mit ausreichend Schlaf.
("Habitual sleep as a contributor to racial differences in cardiometabolic risk", David S. Curtis, PNAS, August 2017)
http://www.pnas.org/content/114/33/8889.abstract.html?etoc
http://www.pnas.org/content/114/33/8889.abstract.html?etoc
US-Amerikaner afrikanischer Abstammung schlafen durchschnittlich 40 Minuten weniger pro Nacht als US-Amerikaner europäischer Abstammung (5,6 versus 6,3 Stunden). Auch ist die eigentliche Schlafqualität weniger gut. Und auf diese Unterschiede führt eine neue Studie zu nicht geringen Teilen die ausgeprägten Unterschiede hinsichtlich von Herzkrankheiten und Diabetes zwischen Menschen europäischer und afrikanischer Abstammung zurück.
Dann stellt sich jetzt wohl die Frage, ob das unterschiedliche Schlafen auf genetischen Faktoren beruht. So wird es doch vermutlich sein. Und dann werden die Schlafgewohnheiten auch keineswegs so leicht zu ändern sein.
Ich überlege gerade, ob die Dauer und Qualität des Schlafes auch etwas mit der Evolution des durchschnittlichen IQ's in der jeweiligen Menschengruppe zu tun hat? Das fände ich fast nahe liegend. Mit einem höheren IQ werden pro Zeiteinheit wohl mehr Informationen verarbeitet. Und bekanntlich muß das Verarbeiten von Information im wachen Zustand kompensiert werden mit ausreichend Schlaf.
("Habitual sleep as a contributor to racial differences in cardiometabolic risk", David S. Curtis, PNAS, August 2017)
http://www.pnas.org/content/114/33/8889.abstract.html?etoc
http://www.pnas.org/content/114/33/8889.abstract.html?etoc
Montag, 14. August 2017
Fisch, Leinöl - und die Intelligenz-Evolution des Menschen
Fisch, Leinöl - und die Intelligenz-Evolution des Menschen
- Große Völkervielfalt in der angeboren unterschiedlichen Verdauung von Omega-3-Fettsäuren
Als sich der Mensch über die Erde verbreitete, hat er die unterschiedlichsten Ernährungsgewohnheiten angenommen. Es gibt Völker, die ernähren sich fast nur von Fisch, andere Völker ernähren sich fast nur von Fleisch, andere Völker ernähren sich fast nur von Pflanzen, wieder andere ernähren sich aus einer Kombination von Möglichkeiten. Indem der Mensch eine solche Vielfalt von Ernährungsgewohnheiten ausbildete, schaffte er jeweils neue Selektionsbedingungen für seine Verdauungsgene.
Das ist gut bekannt für die angeborene Fähigkeit, als Erwachsener Rohmilch verdauen zu können, die in Skandinavien über 90 Prozent aller Menschen besitzen, in anderen Teilen der Welt aber viel weniger Menschen und die auch die ersten europäischen Bauern und Rinderzüchter gar nicht besaßen, die also eine angeborene Fähigkeit darstellt, die evolutionär sehr jung ist, sich erst in der Bronzezeit von Skandinavien aus ausgebreitet hat.
Ein anderer wichtiger Bereich, der gegenwärtig sehr intensiv erforscht wird, ist die Verdauung von Omega-3-Fettsäuren. Auf Wikipedia kann man nachlesen, was für ein bedeutsamer Bereich das überraschenderweise ist. Pflanzen enthalten fast ausschließlich α-Linolensäure, während in Fettfischen - wie Aal, Karpfen und Sardine - und Algen, etwa Rotalgen, vorwiegend Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) vorkommen können. Leinöl ist besonders reich an ihnen, Olivenöl hat gar keine. Jene pflanzlicher Herkunft werden vom Körper aber zum Teil in jene tierlicher Herkunft umgewandelt - wofür es besondere Gene gibt, die Völker, die sich von Fisch ernähren, nicht brauchen. Denn diejenigen tierlicher Herkunft müssen weniger umgewandelt werden.
Mangel an Omega-3-Fettsäuren hat erstaunlicherweise viele nachweisbare Folgen: Herzerkrankungen werden wahrscheinlicher und sogar in der Schwangerschaft wirkt er sich aus: "Der Intelligenzquotient von 4-jährigen Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft und während der ersten drei Monate nach der Geburt täglich 2 g Eicosapentaen- und Docosahexaensäure supplementierten, war in einer, mit 83 Teilnehmern recht kleinen, Interventionsstudie mit 106 Punkten 4 Punkte höher als bei Kindern von Müttern die Maiskeimöl, das praktisch keine Omega-3-Fettsäuren enthält, einnahmen." Deshalb wird der Verzehr zweier Portionen fetten Fischs (beispielsweise Lachs oder Makrele) pro Woche für schwangere und stillende Frauen empfohlen.
Auch bei Depression, Schizophrenie, Alzheimer, Borderline und ADHS wirkt sich eine Mehreinnahme von Omega-3-Fettsäuren positiv aus. Wahnsinn. So alles auf Wikipedia.
Und nun sagt die Genforschung neuerdings dazu (noch nicht auf Wiki eingearbeitet), daß Völker, die natürlicherweise weniger Fisch essen, dies durch bestimmte Genvarianten kompensieren können, die sie leichter Omega-3-Fettsäuren pflanzlicher Herkunft in solche tierlicher Herkunft umwandeln lassen können. Das wird auch schon anhand von ancient-DNA-Studien deutlich:
Among the hunter-gatherers, the less vegetarian haplotype (a combination of several gene variants that are passed on together) was favoured, while the introduction of agriculture switched the selection to favour a boost in endogenous synthesis of omega-3 fatty acids. (...) The switch from the meat-eater to the vegetarian haplotype was more pronounced in southern Europe than in the north. The researchers attribute this geographic difference to the higher proportion of fish in the diet of northern Europeans both before and after the switch to agriculture. The use of milk by northern European farmers may have further blurred the effect seen more clearly in the south.
Another study (...) has compared Bronze Age human genes with modern ones and identified several single nucleotide polymorphisms linked to the adaptation of the fatty acid metabolism to the prevailing diet, which all tended to undergo selection for more efficient omega-3 synthesis after the introduction of agriculture (Mol. Biol. Evol. (2017), 34, 1307–1318). The researchers conclude that “selection in the FADS region is complex and has targeted several loci across different populations”. (...)
The bottom line is that most people (...) cannot know whether they would benefit from eating more or less fish, from becoming vegetarian, or from supplementing with omega-3 products if they already are vegetarians.
Auf jeden Fall dürfte das heißen, daß man als Nordeuropäer in der Tat gut tut, häufiger Fisch zu essen, da das ein sehr traditioneller Nahrungsbestandteil war. (In Haveldörfern zum Beispiel hatte jeder Bauernhof Fischereirechte und es wurde viel Fisch gegessen.)
Auch dürfte die Sequenzierung des persönlichen Genoms in der Tat weiter helfen, um zu sehen, ob man mehr "nordic diet" zu sich nehmen sollte oder mehr mediterrane. Insgesamt scheint es sich derzeit noch um ein sehr komplexes Thema zu handeln. Aber es wird schon deutlich, daß es in diesem Bereich in den letzten Jahrtausenden und regional viel Selektion gegeben hat, was zusätzlich darauf aufmerksam macht, wie bedeutsam dieser ganze Bereich zu sein scheint.
(Michael Gross übrigens, dessen Artikel uns auf diese Dinge aufmerksam machte, ist ein deutscher Wissenschaftsjournalist, den man außerhalb von Chemie-Interessierten vielleicht noch nicht so deutlich wahrgenommen hat, er war mir jedenfalls bislang ganz unbekannt.)
https://www.goodreads.com/author_blog_posts/15532825-seafood-genes
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982217308783#
https://de.wikipedia.org/wiki/Omega-3-Fetts%C3%A4uren
(Michael Gross - How our diet changed our evolution - Current Biology August 2017)
https://www.goodreads.com/author_blog_posts/15532825-seafood-genes
- Große Völkervielfalt in der angeboren unterschiedlichen Verdauung von Omega-3-Fettsäuren
Als sich der Mensch über die Erde verbreitete, hat er die unterschiedlichsten Ernährungsgewohnheiten angenommen. Es gibt Völker, die ernähren sich fast nur von Fisch, andere Völker ernähren sich fast nur von Fleisch, andere Völker ernähren sich fast nur von Pflanzen, wieder andere ernähren sich aus einer Kombination von Möglichkeiten. Indem der Mensch eine solche Vielfalt von Ernährungsgewohnheiten ausbildete, schaffte er jeweils neue Selektionsbedingungen für seine Verdauungsgene.
Das ist gut bekannt für die angeborene Fähigkeit, als Erwachsener Rohmilch verdauen zu können, die in Skandinavien über 90 Prozent aller Menschen besitzen, in anderen Teilen der Welt aber viel weniger Menschen und die auch die ersten europäischen Bauern und Rinderzüchter gar nicht besaßen, die also eine angeborene Fähigkeit darstellt, die evolutionär sehr jung ist, sich erst in der Bronzezeit von Skandinavien aus ausgebreitet hat.
Ein anderer wichtiger Bereich, der gegenwärtig sehr intensiv erforscht wird, ist die Verdauung von Omega-3-Fettsäuren. Auf Wikipedia kann man nachlesen, was für ein bedeutsamer Bereich das überraschenderweise ist. Pflanzen enthalten fast ausschließlich α-Linolensäure, während in Fettfischen - wie Aal, Karpfen und Sardine - und Algen, etwa Rotalgen, vorwiegend Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) vorkommen können. Leinöl ist besonders reich an ihnen, Olivenöl hat gar keine. Jene pflanzlicher Herkunft werden vom Körper aber zum Teil in jene tierlicher Herkunft umgewandelt - wofür es besondere Gene gibt, die Völker, die sich von Fisch ernähren, nicht brauchen. Denn diejenigen tierlicher Herkunft müssen weniger umgewandelt werden.
Mangel an Omega-3-Fettsäuren hat erstaunlicherweise viele nachweisbare Folgen: Herzerkrankungen werden wahrscheinlicher und sogar in der Schwangerschaft wirkt er sich aus: "Der Intelligenzquotient von 4-jährigen Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft und während der ersten drei Monate nach der Geburt täglich 2 g Eicosapentaen- und Docosahexaensäure supplementierten, war in einer, mit 83 Teilnehmern recht kleinen, Interventionsstudie mit 106 Punkten 4 Punkte höher als bei Kindern von Müttern die Maiskeimöl, das praktisch keine Omega-3-Fettsäuren enthält, einnahmen." Deshalb wird der Verzehr zweier Portionen fetten Fischs (beispielsweise Lachs oder Makrele) pro Woche für schwangere und stillende Frauen empfohlen.
Auch bei Depression, Schizophrenie, Alzheimer, Borderline und ADHS wirkt sich eine Mehreinnahme von Omega-3-Fettsäuren positiv aus. Wahnsinn. So alles auf Wikipedia.
Und nun sagt die Genforschung neuerdings dazu (noch nicht auf Wiki eingearbeitet), daß Völker, die natürlicherweise weniger Fisch essen, dies durch bestimmte Genvarianten kompensieren können, die sie leichter Omega-3-Fettsäuren pflanzlicher Herkunft in solche tierlicher Herkunft umwandeln lassen können. Das wird auch schon anhand von ancient-DNA-Studien deutlich:
Among the hunter-gatherers, the less vegetarian haplotype (a combination of several gene variants that are passed on together) was favoured, while the introduction of agriculture switched the selection to favour a boost in endogenous synthesis of omega-3 fatty acids. (...) The switch from the meat-eater to the vegetarian haplotype was more pronounced in southern Europe than in the north. The researchers attribute this geographic difference to the higher proportion of fish in the diet of northern Europeans both before and after the switch to agriculture. The use of milk by northern European farmers may have further blurred the effect seen more clearly in the south.
Another study (...) has compared Bronze Age human genes with modern ones and identified several single nucleotide polymorphisms linked to the adaptation of the fatty acid metabolism to the prevailing diet, which all tended to undergo selection for more efficient omega-3 synthesis after the introduction of agriculture (Mol. Biol. Evol. (2017), 34, 1307–1318). The researchers conclude that “selection in the FADS region is complex and has targeted several loci across different populations”. (...)
The bottom line is that most people (...) cannot know whether they would benefit from eating more or less fish, from becoming vegetarian, or from supplementing with omega-3 products if they already are vegetarians.
Auf jeden Fall dürfte das heißen, daß man als Nordeuropäer in der Tat gut tut, häufiger Fisch zu essen, da das ein sehr traditioneller Nahrungsbestandteil war. (In Haveldörfern zum Beispiel hatte jeder Bauernhof Fischereirechte und es wurde viel Fisch gegessen.)
Auch dürfte die Sequenzierung des persönlichen Genoms in der Tat weiter helfen, um zu sehen, ob man mehr "nordic diet" zu sich nehmen sollte oder mehr mediterrane. Insgesamt scheint es sich derzeit noch um ein sehr komplexes Thema zu handeln. Aber es wird schon deutlich, daß es in diesem Bereich in den letzten Jahrtausenden und regional viel Selektion gegeben hat, was zusätzlich darauf aufmerksam macht, wie bedeutsam dieser ganze Bereich zu sein scheint.
(Michael Gross übrigens, dessen Artikel uns auf diese Dinge aufmerksam machte, ist ein deutscher Wissenschaftsjournalist, den man außerhalb von Chemie-Interessierten vielleicht noch nicht so deutlich wahrgenommen hat, er war mir jedenfalls bislang ganz unbekannt.)
https://www.goodreads.com/author_blog_posts/15532825-seafood-genes
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982217308783#
https://de.wikipedia.org/wiki/Omega-3-Fetts%C3%A4uren
(Michael Gross - How our diet changed our evolution - Current Biology August 2017)
https://www.goodreads.com/author_blog_posts/15532825-seafood-genes
Freitag, 11. August 2017
Sind wir Menschen doch keine unvermeidlichen Produkte der Evolution?
Sind wir Menschen doch keine unvermeidlichen Produkte der Evolution?
Mit nicht sehr guten Argumenten wird hier Stellung bezogen gegen die These "Unvermeidlich Menschen" des Simon Conway Morris (2003), ohne daß dessen Name überhaupt genannt wird. Immerhin - das sind die ersten Gegenargumente gegen seine These, die man sich erinnern kann, jemals gehört zu haben. Ist der Mensch ein Zufallsprodukt der Evolution wie Stephen Jay Gould meinte ("Zufall Mensch") oder mußte er früher oder später kommen, nachdem die Evolution einmal losgegangen war, wie Conway Morris 2003 im Anschluß an das Anthropische Prinzip der Kosmologie sagte? Hier wird nun für den Zufall das Wort ergriffen und gesagt:
"The idea of contingency is perhaps best based on palaeontologist Adolf Seilacher's theory of constructional morphology."
Das ist mir völlig neu, daß der verdienstvolle deutsche Paläontologe Adolf Seilacher (1925-2014), der unter anderem über die Entstehung des Lebens an heißen Quellen in der Tiefsee mutmaßte, eine Gegenposition gegen Conway Morris bezogen haben sollte.
http://www.nature.com/nature/journal/v548/n7666/full/548156a.html
http://www.nature.com/nature/journal/v548/n7666/full/548156a.html
Mit nicht sehr guten Argumenten wird hier Stellung bezogen gegen die These "Unvermeidlich Menschen" des Simon Conway Morris (2003), ohne daß dessen Name überhaupt genannt wird. Immerhin - das sind die ersten Gegenargumente gegen seine These, die man sich erinnern kann, jemals gehört zu haben. Ist der Mensch ein Zufallsprodukt der Evolution wie Stephen Jay Gould meinte ("Zufall Mensch") oder mußte er früher oder später kommen, nachdem die Evolution einmal losgegangen war, wie Conway Morris 2003 im Anschluß an das Anthropische Prinzip der Kosmologie sagte? Hier wird nun für den Zufall das Wort ergriffen und gesagt:
"The idea of contingency is perhaps best based on palaeontologist Adolf Seilacher's theory of constructional morphology."
Das ist mir völlig neu, daß der verdienstvolle deutsche Paläontologe Adolf Seilacher (1925-2014), der unter anderem über die Entstehung des Lebens an heißen Quellen in der Tiefsee mutmaßte, eine Gegenposition gegen Conway Morris bezogen haben sollte.
http://www.nature.com/nature/journal/v548/n7666/full/548156a.html
http://www.nature.com/nature/journal/v548/n7666/full/548156a.html
Montag, 7. August 2017
Frank Salter - Die genetische Verwandtschaft innerhalb von Völkern kann menschlichen Altruismus fördern
Frank Salter - Die genetische Verwandtschaft innerhalb von Völkern kann menschlichen Altruismus fördern
Ich schätze die Arbeit des australischen Verhaltensforschers Frank Salter schon seit vielen Jahren (1). Er ist Schüler von I. Eibl-Eibesfeldt, hat an dessen Institut in Bayern gearbeitet und ist mit einer Sekretärin seines Lehrers verheiratet.
Er vertritt - mit Henry Harpending und anderen Anthropologen - die These, daß die Bedeutung der genetischen Verwandtschaft für altruistisches Verhalten beim Menschen nicht im Rahmen der erweiterten Familie, der Dorfgemeinschaft oder des Clans aufhört, sondern auch für große Völker, also Ethnien von Bedeutung ist (1).
Die naturwissenschaftliche (Evolutionäre) Altruismus-Forschung wurde 1964 durch William D. Hamilton begründet, 1975 durch Edward O. Wilson und Richard Dawkins popularisiert. In der Wissenschaft ist mit ihr heute vollauf akzeptiert, daß altruistisches Verhalten und Kooperation in menschlichen Gruppen bis etwa 500 Mitgliedern sehr stark durch genetische Verwandtschaft bestimmt wird. Dies ist durch unzählige Studien bestätigt (2). Wenn es aber über Gruppen, die größer als 500 Mitglieder hinausgeht, ist das heute in der Wissenschaft noch nicht ganz so akzeptiert.
Spannender Vortrag schon 2003
2003 hielten die deutschen naturwissenschaftlichen Altruismus-Forscher (MVE-Liste, "Menschliches Verhalten aus evolutionärer Perspektive") eine Tagung in Seewiesen/Oberbayern ab, auf der früheren Forschungsstation von Konrad Lorenz, eine Tagung, die von Wulf Schievenhövel organisiert worden war, einem anderen Schüler von Eibel-Eibesfeldt. An dieser Tagung nahm Eckart Voland teil und eine ganze Menge Schüler von Konrad Lorenz (Eibl-Eibesfeldt, Norbert Bischof und viele andere). Es war - für mich als Teilnehmer - eine unglaublich spannende Tagung an einem unglaublich legendären Ort.
Auf dieser Tagung nun hat Frank Salter die "Keynote", also den Hauptvortrag gehalten. Dieser stimmte inhaltlich weitgehend mit jenem Vortrag überein, den er 2005 in Prag hielt, und von dem ich gerade dieses Video im Internet finde. Überhaupt ist Frank Salter zu meiner Überraschung inzwischen sehr intensiv im Internet tätig geworden. Es gibt viele Interviews und Vorträge von ihm, etwa auch auf dem Red Ice Radio (das mir aus anderen Zusammenhängen bekannt ist).
Frank Salter warnt in dringenden Worten vor der heutigen Einwanderungspolitik in Europa. Ich habe mir vorgenommen, seine Internetaktivitäten künftig sorgfältiger zu verfolgen als das bislang geschehen ist. Dieser Beitrag soll diesbezüglich der erste sein.
_________________________________________
1. Salter, Frank: On Genetic Interests. Family, Ethnicity, and Humanity in an Age of Mass Migration, 2003
2. Voland, Eckard: Soziobiologie. Die Evolution von Kooperation und Konkurrenz. 4. Auflage. Springer, Berlin 2013
3. Salter, Frank: The Delay in Quantifying Ethnic Kinship. Human Ethology Summer School, Charles University, Prague 2005, https://www.youtube.com/watch?v=QjNj8e1leqU
https://www.youtube.com/watch?v=QjNj8e1leqU
Ich schätze die Arbeit des australischen Verhaltensforschers Frank Salter schon seit vielen Jahren (1). Er ist Schüler von I. Eibl-Eibesfeldt, hat an dessen Institut in Bayern gearbeitet und ist mit einer Sekretärin seines Lehrers verheiratet.
Er vertritt - mit Henry Harpending und anderen Anthropologen - die These, daß die Bedeutung der genetischen Verwandtschaft für altruistisches Verhalten beim Menschen nicht im Rahmen der erweiterten Familie, der Dorfgemeinschaft oder des Clans aufhört, sondern auch für große Völker, also Ethnien von Bedeutung ist (1).
Die naturwissenschaftliche (Evolutionäre) Altruismus-Forschung wurde 1964 durch William D. Hamilton begründet, 1975 durch Edward O. Wilson und Richard Dawkins popularisiert. In der Wissenschaft ist mit ihr heute vollauf akzeptiert, daß altruistisches Verhalten und Kooperation in menschlichen Gruppen bis etwa 500 Mitgliedern sehr stark durch genetische Verwandtschaft bestimmt wird. Dies ist durch unzählige Studien bestätigt (2). Wenn es aber über Gruppen, die größer als 500 Mitglieder hinausgeht, ist das heute in der Wissenschaft noch nicht ganz so akzeptiert.
Spannender Vortrag schon 2003
2003 hielten die deutschen naturwissenschaftlichen Altruismus-Forscher (MVE-Liste, "Menschliches Verhalten aus evolutionärer Perspektive") eine Tagung in Seewiesen/Oberbayern ab, auf der früheren Forschungsstation von Konrad Lorenz, eine Tagung, die von Wulf Schievenhövel organisiert worden war, einem anderen Schüler von Eibel-Eibesfeldt. An dieser Tagung nahm Eckart Voland teil und eine ganze Menge Schüler von Konrad Lorenz (Eibl-Eibesfeldt, Norbert Bischof und viele andere). Es war - für mich als Teilnehmer - eine unglaublich spannende Tagung an einem unglaublich legendären Ort.
Auf dieser Tagung nun hat Frank Salter die "Keynote", also den Hauptvortrag gehalten. Dieser stimmte inhaltlich weitgehend mit jenem Vortrag überein, den er 2005 in Prag hielt, und von dem ich gerade dieses Video im Internet finde. Überhaupt ist Frank Salter zu meiner Überraschung inzwischen sehr intensiv im Internet tätig geworden. Es gibt viele Interviews und Vorträge von ihm, etwa auch auf dem Red Ice Radio (das mir aus anderen Zusammenhängen bekannt ist).
Frank Salter warnt in dringenden Worten vor der heutigen Einwanderungspolitik in Europa. Ich habe mir vorgenommen, seine Internetaktivitäten künftig sorgfältiger zu verfolgen als das bislang geschehen ist. Dieser Beitrag soll diesbezüglich der erste sein.
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1. Salter, Frank: On Genetic Interests. Family, Ethnicity, and Humanity in an Age of Mass Migration, 2003
2. Voland, Eckard: Soziobiologie. Die Evolution von Kooperation und Konkurrenz. 4. Auflage. Springer, Berlin 2013
3. Salter, Frank: The Delay in Quantifying Ethnic Kinship. Human Ethology Summer School, Charles University, Prague 2005, https://www.youtube.com/watch?v=QjNj8e1leqU
https://www.youtube.com/watch?v=QjNj8e1leqU
Donnerstag, 3. August 2017
Ancient DNA - Die indogermanische Zuwanderung nach Griechenland formte die Kultur der Mykener
Ancient DNA - Die indogermanische Zuwanderung nach Griechenland formte die Kultur der Mykener
Soeben ist eine neue hochbrisante ancient-DNA-Studie von Johannes Krause und vielen anderen zur Genetik der Mykener und Minoer erschienen (1).
Wir hatten zuvor gerade erst gelernt: Die ersten Bauern des Früh- und Mittelneolithikums in Anatolien, Griechenland (und vermutlich dem gesamten Mittelmeerraum), sowie in Mittel- und Nordeuropa (ab 6.500 v. Ztr.) bildeten eine genetisch vergleichsweise einheitliche Völkergruppe, die in allen eben genannten Regionen heute als ausgestorben angesehen werden muß, deren nächste genetische Verwandte am ehesten heute noch auf Sardinien weiter leben.
Ab der Bronzezeit finden wir in Anatolien, Griechenland und auf Kreta genetisch im wesentlichen andere Menschen, die in ihrer genetischen Verwandtschaft etwa auf der Mitte stehen zwischen den früh- und mittelneolithischen Bauern dieser Region einerseits und den heutigen Bewohnern dieser Region andererseits (siehe Grafik unten).
Bemerkenswert ist, daß ein sequenzierter bronzezeitlicher Bewohner Anatoliens damals schon den heutigen Griechen genetisch sehr nahe stand. Ansonsten heißt es in der Studie: "In comparison, the Bronze Age Anatolians shared fewer alleles with ancient Europeans and more with ancient populations of Iran and the Levant."
Das heißt: Es gab in Anatolien eine Zuwanderung vom Levanteraum, die durch die Expansion der ersten Hochkulturen aus dem Zweistromland heraus nach Anatolien hinein vorangetrieben worden sein wird (Uruk, Babylonien usw. usf.). Und in der Bronzezeit gab es dann schließlich weiterhin eine massive indoeuropäische Zuwanderung in Anatolien. Diese war etwa vom Volk der Hethiter getragen, aber auch von vielen anderen, heute in Anatolien ausgestorbenen indogermanischen Völkern (Lyder, Lyker und viele andere - "wer kennt die Völker, nennt die Namen?" ...).
Und auch die größere genetische Nähe der Mykener und Minoer zu den heutigen Bewohnern Griechenlands ist vor allem verursacht durch eine Zuwanderung von Indogermanen, die in Verwandtschaft standen zu Menschen aus der Kaukasus-Region und dem Iran (siehe Grafik unten).
Ganz offensichtlich spielt hier - wie zeitgleich in Mitteleuropa - die Zuwanderung von Indogermanen aus der Nordkaukasus-Region die bedeutendste Rolle.
In der Bronzezeit stammten die Menschen im östlichen Mittelmeerraum also zu deutlichen Teilen (bis zu 30 % - heißt es an einer Stelle der Studie) aus der Kaukasus-Region. Es gab also auch hier massive indogermanische Zuwanderungen ganz genauso wie in Mittel- und Nordeuropa. ("We found that Test populations from Iran, the Caucasus, and eastern Europe shared more alleles with Minoans and Mycenaeans than with the Neolithic population of Greece.")
Dabei hatten die Mykener noch weniger mittelneolithische Vorfahren aus ihrer eigenen ("neuen") Heimat als die Minoer. Das ist der einzige größere genetische Unterschied zwischen diesen beiden großen bronzezeitlichen Völkern.
Interessanterweise haben die Minoer zwar Kaukasus-Vorfahren, aber offensichtlich keine Vorfahren von den osteuropäischen Jägern und Sammlern, womit sich die Frage stellt, welche Kaukasus-Völker - schon vor den Indogermanen? - sich womöglich bis nach Kreta ausgebreitet haben. Es scheint also neben der Ausbreitung der Schriftkulturen vom Zweistromland aus und neben der Ausbreitung der Indogermanen vom Nordkaukaus-Raum aus auch noch eine dritte Völker-Ausbreitung gegeben zu haben, über die bisher noch wenig bekannt ist. Diese Völkergruppe war schon während des Neolithikums in Zentralanatolien präsent. ("This ancestry need not have arrived from regions east of Anatolia, as it was already present during the Neolithic in central Anatolia at Tepecik-Çiftlik.") Auch das wirft völlig neue Perspektiven auf. Bekannt ist, daß die frühen Hochkulturen in Ostanatolien, in Armenien usw. von der Archäologie lange Jahrzehnte stiefmütterlich behandelt worden waren, weshalb sie kaum im Allgemeinwissen präsent sind. Aber auch hier hat es viel Kultur- und Völkergeschichte gegeben.
Insbesondere die Y-Chromosomen-Haplogruppe J gab es unter den Männern des Neolithikums im Mittelmeerraum gar nicht, war aber unter den Männern der Bronzezeit vorherrschend. Auch hier deutet sich ein höherer Anteil von (kriegerischen) Männern unter den Zuwanderern an. Ähnliches wird ja auch für Mitteleuropa vermutet.
Zwischen dem Begrabenen eines Eliten- (Königs-)Grabes bei den Mykenern und denen gewöhnlicher (Krieger-?)Gräber gab es keine genetischen Unterschiede.
Die Forschungen bestätigen auf breiter Front, was bislang schon vermutet worden war: Die mykenische Kultur entstand durch Zuwanderungen durch Indogermanen. Ähnlich - offenbar - auch die minoische Kultur, allerdings offenbar nicht so ausgeprägt, bzw. ohne "nördlichere" genetische Komponenten (was immer das nun heißen möge).
Auch die Mykener hätten jene dunkle Haar- und Augenfarbe aufgezeigt, die die minoischen Wandmalereien aufzeigen, meint die Studie. Das wäre ja hoch interessant. Abschließend würden zwei Schlüsselfragen offen bleiben, so die Studie:
"Two key questions remain to be addressed by future studies. First, when did the common ‘eastern’ ancestry of both Minoans and Mycenaeans arrive in the Aegean? Second, is the ‘northern’ ancestry in Mycenaeans due to sporadic infiltration of Greece, or to a rapid migration as in Central Europe."
(Man vergleiche übrigens bitte meine vorstehende Wiedergabe der Inhalte dieser Studie mit den außerordentlich wenig inhaltsreichen Produkten des deutschsprachigen Wissenschaftsjournalismus zu dieser neuen Studie, die sich leicht mit Suchworten wie "Mykener, Minoer" und entsprechender Zeiteingrenzung ergoogeln lassen.)
__________________________________________________
1. Johannes Krause, David Reich und viele andere: "Genetic origins of the Minoans and Mycenaeans", Nature, 25.6.2017, http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature23310.html) (Ich kann Vollversion des Aufsatzes weitergeben!)
Dienstag, 1. August 2017
Konnten die Neandertaler kein Feuer machen?
Konnten die Neandertaler kein Feuer machen?
Daß Neandertaler von sich aus ein Feuer entzünden konnten, ist durch die Wissenschaft gar nicht gesichert, kann man zu seinem Verwundern gerade fest stellen. In dieser Studie (1) wird vielmehr der These nachgegangen, daß Neandertaler nur in Warmzeiten, nicht in Kaltzeiten Feuer besessen haben, weil in Warmzeiten die Wahrscheinlichkeit eher gegeben war, daß sich Feuer natürlicherweise entzünden und daß Neandertaler dann ein einmal entstandenes Feuer für sich unterhalten konnten. Diese Möglichkeit war in Kaltzeiten weniger gegeben. Und sie hätten dann dennoch überlebt. - Wow, das würde natürlich den Blick auf die Überlebensfähigkeiten der Neandertaler deutlich erweitern.
1. How Did Hominins Adapt to Ice Age Europe without Fire?
Harold L. Dibble, Aylar Abodolahzadeh, Vera Aldeias, Paul Goldberg, Shannon P. McPherron, and Dennis M. Sandgathe, Current Anthropology, July 2017
http://www.journals.uchicago.edu/doi/full/10.1086/692628
http://www.journals.uchicago.edu/doi/full/10.1086/692628
Daß Neandertaler von sich aus ein Feuer entzünden konnten, ist durch die Wissenschaft gar nicht gesichert, kann man zu seinem Verwundern gerade fest stellen. In dieser Studie (1) wird vielmehr der These nachgegangen, daß Neandertaler nur in Warmzeiten, nicht in Kaltzeiten Feuer besessen haben, weil in Warmzeiten die Wahrscheinlichkeit eher gegeben war, daß sich Feuer natürlicherweise entzünden und daß Neandertaler dann ein einmal entstandenes Feuer für sich unterhalten konnten. Diese Möglichkeit war in Kaltzeiten weniger gegeben. Und sie hätten dann dennoch überlebt. - Wow, das würde natürlich den Blick auf die Überlebensfähigkeiten der Neandertaler deutlich erweitern.
1. How Did Hominins Adapt to Ice Age Europe without Fire?
Harold L. Dibble, Aylar Abodolahzadeh, Vera Aldeias, Paul Goldberg, Shannon P. McPherron, and Dennis M. Sandgathe, Current Anthropology, July 2017
http://www.journals.uchicago.edu/doi/full/10.1086/692628
http://www.journals.uchicago.edu/doi/full/10.1086/692628
News Feature: Can animal culture drive evolution?
Kultur beschleunigt die Evolution
"Die Erweiterung der Biologie durch die Kultur", so lautete das Thema einer wissenschaftlichen Tagung, zu dem gerade der Tagungsband erschienen ist, der sogar frei zugänglich ist. Ich sehe auf den ersten Blick allerdings nicht, daß auf dieser Tagung irgend etwas grundlegend Neues bekannt geworden ist. Alle stochern weiterhin im Nebel herum (vorbehaltlich man weist mich auf etwas hin, das dieser Aussage widerspricht). Alle sind sich immerhin inzwischen weitgehend einig, ja, daß es so etwas wie Gen-Kultur-Koevolution gegeben haben muß bei der (übrigens: konvergenten) Evolution intelligenter Tiere (wie Kultur besitzende Schwertwale und andere), wie insbesondere dann der Primaten und insbesondere dann - nach der Trennung jener Vorfahrenlinie, die zu den Schimpansen führt - bei der Evolution zum anatomisch modernen Menschen hin.
Aber auf die konkreten Theorien von Charles Lumbsden und E.O.Wilson zu diesem Thema, nach der sich eine neue genetische Eigenschaft innerhalb von tausend Jahren innerhalb einer Population aufgrund von Gen-Kultur-Koevolution ausbreiten kann, eine Theorie, die - zum Beispiel - durch die hohe durchschnittliche, angeborene Intelligenz der aschkenasischen Juden, die nur innerhalb von tausend Jahren evoluiert sein kann, bestätigt worden ist, wird offenbar nirgendwo erörtert.
Dabei steht doch das ganze Thema jüngste Humanevolution nun mehr als deutlich auf der Tagesordnung und kann insbesondere anhand von ancient DNA derzeit und künftig sehr gründlich angegangen werden. Anhand dieser Forschritte wird dann aufzeigbar werden, was anhand der aschkenasischen Juden schon aufgezeigt worden ist:
Die Annahme einer neuen Kultur (hier: Dienstleistungsgesellschaft) und die genetische Anpassung an diese neue Kultur ermöglichen eben den Mechanismus der Gen-Kultur-Koevolution, natürlich immer nur, soweit die genetische Evolution dazu Spielräume läßt. Bei der Humanevolution muß sie dazu immerhin viel Spielräume gelassen haben, immerhin gab es innerhalb der letzten 200.000 Jahre eine Evolution vom durchschnittlichen IQ von 56 bei den heutigen Buschleuten und bei australischen Ureinwohnern bis zu einem IQ von 115 bei den aschkenasischen Juden.
Und es deutet derzeit alles darauf hin, daß die Evolution des IQ zumindest in Europa sehr beschleunigt wurde durch die viele Selektion auf Individual- und Gruppenebene, die es in Europa innerhalb der letzten achttausend Jahre gegeben hat. Es wird da eine Evolution gegeben haben von einem IQ von etwa 95 zu einem IQ von etwa von heute etwa 100, zeitgleich in Ostasien bis etwa 105. Diese Evolution ist sicher erfolgt durch die Landwirtschaftliche Revolution.
Und so kann man zurück extrapolieren, daß ähnliche Kulturumbrüche wie jener zur Dienstleistungsgesellschaft bei den aschkenasischen Juden vor etwa tausend Jahren und jener zur Agrargesellschaft bei den im Mittelmeer vor etwa achttausend Jahren auch zuvor schon ähnliche "Schübe" in der genetischen Evlution mit sich gebracht haben werden.
Es geht also - meines Erachtens - auch anschaulicher als das in diesem Tagungsband geschehen ist, um möglichst konkrete Vorstellungen von diesem Mechanismus zu gewinnen.
("Extension of Biology Through Culture (Free Online)", PNAS, 25. Juli 2017, http://www.pnas.org/content/114/30)
http://www.pnas.org/content/114/30/7734.full
http://www.pnas.org/content/114/30/7734.full
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