Ancient DNA von Langobarden am Plattensee in Ungarn und in Norditalien aus der Zeit 550 bis 630 n. Ztr.
Am Südufer des Plattensees in Westungarn ist bei dem heutigen Dorf Szólád ab 2005 ein langobardisches Gräberfeld mit 45 Gräbern ausgegraben worden aus der Zeit um 550 n. Ztr. (1-3). Soeben ist eine Ancient-DNA-Analyse dieser Gräber veröffentlicht worden zusammen mit der Analyse eines ähnlichen Gräberfeldes bei Turin in Norditalien (2).
In zentraler Lage des Gräberfeldes am Plattensee finden sich zehn männliche Angehörige einer Familie/Sippe/Verwandtengruppe, die alle bis auf einen nordeuropäischer Abstammung waren. Ihre Skelette zeigten die beste Ernährung, ihre Gräber hatten eine herausgehobene Lage im Gräberfeld, schlossen das älteste Individuum mit ein, einem Grab war auch ein Pferd mit beigegeben und reichere Beilagen. Diese zehn Gräber waren - wenn man es recht versteht - von einem Halbring von zehn Frauengräbern umgeben. Von diesen Frauen waren fünf nordeuropäischer Abstammung, etwa die andere Hälfte war romanischer Abstammung. Nach der chemischen Analyse des Zahnschmelzes waren die meisten begrabenen Erwachsenen nicht vor Ort aufgewachsen, sondern aus einer anderen Region zugewandert.
Diese zwanzig Gräber waren nun von zehn Männergräber umgeben, die alle bis auf einen nordeuropäischer Abstammung hatten, aber nicht zu der engeren Verwandtschaft der Erstgenannten gehörten. Einige von ihnen hatten auch romanische, südeuropäische Gene.
Es gab noch weitere sieben beigabelose Gräber, die alle romanischer Abstammung waren, aber auch nicht vor Ort aufgewachsen waren, also auch mit den Germanen mit zugezogen sind. Vielleicht waren sie schon in früheren Kriegszügen von ihnen zu Sklaven gemacht worden.
Langobarden in der Nähe von Turin
Weiterhin sind 57 Skelette aus einem langobardischen Gräberfeld bei Collegno nahe Turin in Norditalien untersucht worden aus der Zeit zwischen 580 und 630 n. Ztr.. Auch hier ist im Gräberfeld eine enge kinderreiche Verwandtengruppe nordeuropäischer Abstammung zu erkennen. Vermischung mit Romanen ist hier kaum feststellbar. Die auch hier zu findenden beigabelosen Gräber romanischer Herkunft zeigen auch hier lediglich auf, daß diese Menschen sozial weit unter den Zuwanderern gestanden haben.
Insgesamt deutet sich aus all dem die Sozialstruktur an, mit der die germanischen Stämme der Völkerwanderungszeit gewandert sind. Den besitzenden Familien konnten - in welcher Form auch immer - abhängige Männer des gleichen Stammes zugeordnet sein, die ihnen aber nicht zwangsläufig sozial gleich gestellt sein mußten.
Sodann gab es zwei unterschiedliche Verhaltensweisen. Einerseits konnte - etwa am Plattensee in Ungarn - schon die erste Generation der Zuwanderer auf dem Territorium des ehemaligen Römischen Reiches sich mit den einheimischen Roman(inn)en vermischen, insbesondere romanische Frauen heiraten, andererseits konnte es auch - etwa beim heutigen Turin - Familienclans geben, die weiterhin unter sich heirateten.
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Auszug, Originaltext zu Szólád (2): "We were able to show in particular that the burials in this cemetery were organized predominantly around a three-generation kindred with ten members (Kindred SZ1), all but one of which were of predominantly central/northern ancestry. Members of this kindred stand out in relation to others for a number of reasons: (i) access to diet higher in animal protein; (ii) graves occupying a prominent position in the cemetery, (iii) the presence of the oldest individual in the cemetery (SZ24), and (iv) the individual (SZ13) with the deepest grave and the only one buried with a horse, Thuringian type pottery, and a scale with weights and coins.
Surrounding this kindred within the area demarcated by the half-ring of women there are 10 males. Of the nine for which we have genetic data, all have predominantly central/northern European genetic ancestry but some have both additional TSI and IBS ancestry (for example SZ5), suggesting somewhat diverse genetic and thus possibly different geographic origins amongst each other and from the focal Kindred SZ1. All adults and teenagers have weapons and three out of four adults share the same non-local Sr signature as adults in indred SZ1.
The half-ring of women itself has a mixture of individuals (10 adults and 1 child), with five that have predominantly central/northern ancestry, three that have majority TSI+IBS ancestry and they have a wide range of strontium isotope ratios. SZ19 is found amongst this half-ring and though she is part of Kindred SZ1, she lacks the ledge graves of the other members, has a distinct material culture and is of southern ancestry. To what extent her lack of IBD with SZ24 and her different ancestry contributed to her more peripheral burial compared to both the female SZ8 (who is buried within the core) and the male SZ15 (who similarly unrelated to SZ24 but again found within the core) is an open question."
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1. Rheinische Landesmuseum stellt Volksstamm der Langobarden vor. General-Anzeiger, 2008, http://www.general-anzeiger-bonn.de/news/wissen-und-bildung/wissenschaft/Rheinische-Landesmuseum-stellt-Volksstamm-der-Langobarden-vor-article159442.html
2. Carlos Eduardo G. Amorim: Understanding 6th-Century Barbarian Social Organization and Migration through Paleogenomics. Preprint, 20.2.2018, https://www.biorxiv.org/content/biorxiv/early/2018/02/20/268250.full.pdf
3. https://www.researchgate.net/publication/259714974_Schmelztiegel_Balaton_Zum_Verhaltnis_langobardischer_Einwanderergruppen_und_vor-_langobardenzeitlicher_romanischer_Bevolkerung_am_Balaton_-_Szolad_und_Keszthely-Fenekpuszta_zwischen_Archaologie_und_Is
4. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lombard_woman%27s_grave_goods_from_Sz%C3%B3l%C3%A1d,_Hungary.jpg
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lombard_woman%27s_grave_goods_from_Sz%C3%B3l%C3%A1d,_Hungary.jpg
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