Die "Kuckucke" unter den Käferarten
Symbiotisch eng mit Wanderameisen lebende Käferarten - Sie sind mindestens zwölf mal konvergent, also unabhängig voneinander evoluiert
Es gibt eine wenig bekannte Gruppe von Käfer-Arten, Kurzflügler genannt (engl. "Rover Beetle"), die sich noch weitaus ungewöhnlicher als etwa der Kuckuck verhalten. Ihre Symbiose mit anderen Tieren, vor allem mit Ameisen, ist noch viel komplexer und deshalb auch evolutionsbiologisch außerordentlich interessant. Über ihre komplexen Symbiosen heißt es zusammenfassend derzeit auf Wikipedia (1):
"Manche Arten leben nur in Nestern von Vögeln und Säugetieren. Nicht wenige Kurzflüglerarten wohnen ausschließlich in Wespen-, Ameisen- oder Termitennestern (Myrmecophilie), teilweise dort von den Ameisen als Nestangehörige behandelt, ihre gesamte Entwicklung durchlaufend.
Die Beziehungen zwischen den Käfern und ihren Ameisen-Wirten sind mannigfach und faszinierend: Einige Arten machen Jagd auf die Wirtstiere, andere fressen das Aas im Nest oder dezimieren Ameisenbrut und wieder andere veranlassen ihren Wirt, Nahrung für sie hervor zu würgen. Die Käferlarven werden von den Wirtsameisen intensiver gepflegt und gefüttert als deren eigene Larven, täuschen den Wirt durch intensives Imitieren der Bettelbewegungen und durch einen über Hautdrüsen abgesonderten, Brutpflegeverhalten auslösenden Stoff (Insektenpheromone). Käferlarven sind somit starke Nahrungskonkurrenten für die Ameisenbrut.
Viele Arten (insbesondere der Tropen) haben besonders perfekte Anpassungen entwickelt. Ihr Körper weist oftmals eine weitgehende Körperumkonstruktion auf. Andere ziehen als Wandergäste auf Jagdzügen mit dem Ameisenheer in der Nachhut - oder wie die meist symphilen Formen (also die sekretspendenden 'Züchtungsprodukte' jener Ameisen), deren eigens ausgebildete Haftapparate an den Füßen dafür sorgen, daß diese Kurzflügler auf Kopf oder Rücken der Ameisen sitzend deren Beutezüge begleiten können. Fast alle Arten sind mit 1 bis 2 Paaren oft sehr großer, sich im Hinterleib befindender Wehrdrüsen ausgestattet. Die synthetisierten Wehrstoffe sind von mannigfacher Art (...). Diese Eigenschaften in Kombination mit einem großen Fortpflanzungspotenzial und anderen hochentwickelten Merkmalen machen die Kurzflügler zu einer evolutionär sehr erfolgreichen Tiergruppe."
Und nun heißt es in einer neuen Studie, daß die symbiotisch mit Ameisen zusammenlebende Lebensweise dieser Kurzflügler-Arten unabhängig voneinander mindestens zwölf mal konvergent evoluiert ist, und zwar jeweils in unterschiedlichen Erdregionen nach dem Aussterben der Dinosaurier als die Wanderameisen ("army ant") ökologisch dominant wurden (2):
"Here we demonstrate that myrmecoid rove beetles are strongly polyphyletic, with this novel adaptive morphological and behavioral syndrome having evolved at least twelve times during the evolution of a single staphylinid subfamily, Aleocharinae. Each independent myrmecoid clade is restricted to one zoogeographic region and highly host-specific on a single army ant genus. Dating estimates reveal that myrmecoid clades are separated by substantial phylogenetic distances—as much as 105 million years (My). All such groups arose in parallel during the Cenozoic, as army ants are proposed to have risen to ecological dominance. This work uncovers a rare example of an ancient system of complex morphological and behavioral convergence, with replicate beetle lineages following a predictable phenotypic trajectory during their parasitic coevolution with army ants."
Sie werden also angesprochen als ein seltener Fall komplexer morphologischer und verhaltensmäßiger Konvergenz, bei der Käfer-Vorfahrenlinien unabhängig voneinander voraussagbare Richtungen eingeschlagen haben während ihrer parasitären Koevolution mit verschiedenen Wanderameisen-Arten.
1. https://de.wikipedia.org/wiki/Kurzfl%C3%BCgler, https://en.wikipedia.org/wiki/Rove_beetle, https://en.wikipedia.org/wiki/Myrmecophily_in_Staphylinidae
2. Munetoshi Maruyama, Joseph Parker: Deep-Time Convergence in Rove Beetle Symbionts of Army Ants. In: Current Biology, Volume 27, Issue 6, 20 March 2017, Pages 920-926, https://doi.org/10.1016/j.cub.2017.02.030, https://www.biorxiv.org/content/early/2016/09/20/076315, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982217301987
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982217301987
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