Freitag, 24. November 2017

Die Schnurkeramiker wanderten erst westwärts, dann ostwärts - - - und wohnten in den Oasenstädten der Seidenstraße

Die Schnurkeramiker wanderten erst westwärts, dann ostwärts - - - und wohnten in den Oasenstädten der Seidenstraße

Die berühmten blonden, hochgewachsenen, europäisch aussehenden und mit europäischer Kleidung bekleideten tocharischen Wüstenmumien aus den Oasenstädten der Seidenstraße aus der Zeit zwischen 2000 v. Ztr. bis 800 n. Ztr., gehörten zum indogermanischen Volk der Tocharer, das als östlichstes bekanntes indogermanisches Volk eine westindogermanische Sprache sprach (2, 3). Und sie werfen schon seit der Entdeckung dieser Sprache durch die Erforscher Innerasiens die Frage auf: Wie kamen die - um die Zeit um 2.000 v. Ztr. - aus Mitteleuropa in so entlegenene Regionen wie Innerasien? Wie kamen sie bis an den Westrand Chinas? (Ich habe über diese Kultur schon vor Jahren allerhand Blogartikel veröffentlicht.)

Und eine Klärung dieser Frage ist nun ebenfalls erfolgt mit dem Durchbruch in der Ancient-DNA-Forschung im Jahr 2015. Das hatte ich bisher ganz übersehen.

Eine zentrale Rolle spielt dabei die offenbar weltgeschichtlich so bedeutende Sintaschta-Kultur - und die aus ihr hervorgegangene Andronovo-Kultur Sibiriens. Die Sintaschta-Kultur entstand um 2.100 v. Ztr. in der Ukraine. Sie war die erste Kultur, die nachgewiesenermaßen Streitwagen baute und domestizierte Pferde als Zugpferde benutzte. Aber - und das ist nun die entscheidende Neuerkenntnis: nach den neuen ancient-DNA-Daten ist sie nicht aus der örtlichen Yamnaja-Kultur hervorgegangen, sondern aus erneuter Ostwanderung der Schnurkeramiker! Damit hat man dann auch sehr konkrete Anhaltspunkte, wie man sich die Wanderung der Tocharer von Mitteleuropa nach Innerasien vorstellen kann. Denn der Zeitstellung nach paßt alles zusammen.

Diese Erkenntnis ist auch schon an mehreren Orten in das englische Wikipedia eingepflegt worden. Und damit ist auch die früheste sibirische indogermanische Kultur, die Afanasijewo-Kultur, die wie die Schnurkeramiker direkt von den Yamnaja abstammte, genetisch eine andere Kultur gewesen, als die ihr nachfolgende Kultur, die Andronovo-Kultur, die entlang der Nordhänge des Tianshan siedelte, das Gebirge, das Innerasien im Süden von Sibirien im Norden trennte.

Die Schnurkeramiker wandern westwärts (2.800 v. Ztr.)

Aber es sei zunächst noch einmal rekapituliert: Die Schnurkeramiker breiteten sich ab 2.800 v. Ztr. vermutlich ausgehend von Südpolen in Mitteleuropa bis nach Skandinavien aus (4, 5). Genetisch waren sie zwar eng mit den Yamnaja von der Wolga verwandt, also mit dem Urvolk der Indogermanen. Aber sie vermischten sich in Mittel- und Nordeuropa zu geringeren Anteilen mit den Einheimischen. Ab 2.300 v. Ztr. ging die Schnurkeramik-Kultur in Mitteldeutschland über in die berühmte Aunjetitzer Kultur (6), die prächtige Fürstengräber kennt und aus der insbesondere die "Himmelsscheibe von Nebra" hervor gegangen ist.

Die Schnurkeramiker wandern ostwärts (2.300 v. Ztr.)

Aber in der gleichen Zeit nun, in der die Aunjetitzer Kultur in Sachsen entstand, wanderten offenbar auch wieder Schnurkeramiker Richtung Osten, nun ihren genetischen Anteil der vorherigen Mitteleuropäer mitnehmend. Und sie begründeten in der Ukraine die Sintaschta-Kultur. Dazu sei nun die diesbezügliche genetische Studie aus dem Jahr 2015 zitiert:

"From the beginning of 2000 BC, a new class of master artisans known as the Sintashta culture emerged in the Urals, building chariots, breeding and training horses (Fig. 1), and producing sophisticated new weapons."

Und:

"The Early Bronze Age Afanasievo culture in the Altai-Sayan region is genetically indistinguishable from Yamnaya, confirming an eastward expansion across the steppe (Figs 1 and 3b; Extended Data Fig. 2b and Extended Data Table 1), in addition to the westward expansion into Europe. Thus, the Yamnaya migrations resulted in gene flow across vast distances, essentially connecting Altai in Siberia with Scandinaviain the Early Bronze Age (Fig. 1)."

Aber nun:

" The close affinity we observe between peoples of Corded Ware and Sintashta cultures (Extended Data Fig. 2a) suggests similar genetic sources of the two, which contrasts with previous hypotheses placing the origin of Sintastha in Asia or the Middle East. Although we cannot formally test whether the Sintashta derives directly from an eastward migration of Corded Ware peoples or if they share common ancestry with an earlier steppe population, the presence of European Neolithic farmer ancestry in both the Corded Ware and the Sintashta, combined with the absence of Neolithic farmer ancestry in the earlier Yamnaya, would suggest the former being more probable (Fig. 2b andExtended Data Table 1)."

Das ist eine spannende Erkenntnis. Und:

"The Andronovo culture, which arose in Central Asia during the later Bronze Age (Fig. 1), is genetically closely related to the Sintashta peoples (Extended Data Fig. 2c), and clearly distinct from both Yamnaya and Afanasievo (Fig. 3b andExtended Data Table 1). Therefore, Andronovo represents a temporal and geographical extension of the Sintashta gene pool."

Somit wird es enge genetische Zusammenhänge geben zwischen der Andronovo-Kultur nördlich des Tianshan und dem Volk der Tocharer südlich des Tianshan in den Oasenstädten der Seidenstraße. Die Andronovo-Kultur breitete sich schnell aus bis an den Westrand Chinas (8).

1. Population genomics of Bronze Age Eurasia. Available from: https://www.researchgate.net/publication/278327861_Population_genomics_of_Bronze_Age_Eurasia [accessed Nov 24 2017].
2. https://de.wikipedia.org/wiki/Tocharer
3. https://de.wikipedia.org/wiki/Tarim-Mumien
4. https://de.wikipedia.org/wiki/Schnurkeramische_Kultur
5. https://en.wikipedia.org/wiki/Corded_Ware_culture
6. https://de.wikipedia.org/wiki/Aunjetitzer_Kultur
7. https://de.wikipedia.org/wiki/Andronowo-Kultur
8. https://www.researchgate.net/publication/317347025_Adunqiaolu_New_evidence_for_the_Andronovo_in_Xinjiang_China

9. Grafik (aus 1): https://www.researchgate.net/profile/Kristian_Kristiansen2/publication/278327861/figure/fig1/AS:272755190923282@1442041313932/Figure-1-Distribution-maps-of-ancient-samples-Localities-cultural-associations-and.png

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