Freitag, 10. November 2017

Indogermanen - Mischung von frühen Bauern aus dem Iran mit Herdenhaltern an der Wolga

Indogermanen - Mischung von frühen Bauern aus dem Iran mit Herdenhaltern an der Wolga

Hier im neuesten Vortrag von David Reich ist eine neue Information enthalten, die so deutlich zuvor noch von niemandem nirgendwo geäußert worden ist meines Wissens, und die auch noch unpubliziert ist:

Die Indogermanen sind "eine Mischung aus frühen Bauern im Iran und Jäger-Sammlern in der osteuropäischen Steppe."

Das war erahnbar, aber noch nicht definitiv ausgesprochen. Und wenn es definitiv ausgesprochen ist, sieht alles gleich ganz anders aus! Der Vortrag wurde am 12. Juli 2017 gehalten, vor vier Monaten. Ich selbst hatte am 2. Juli meinen eigenen Beitrag über die Herkunft der Indogermanen veröffentlicht, ebenfalls ausgelöst durch einen etwas früheren Vortrag von David Reich, in dem sich mein Wissen um diese Herkunft - wie gesagt - schon andeutete. Aber jetzt ist sie sicher! Wow, wow, wow.

David Reich sagt, daß die Yamnaja, das Urvolk der Indogermanen, das erste Volk gewesen wäre, daß in die offenen Grassteppen entlang der großen Flüsse (also Wolga usw.) eingedrungen sei. (Hm!) Und das wäre möglich gewesen durch zwei Erfindungen, die es zuvor nicht gegeben habe, nämlich das Rad und die Domestikation des Pferdes. Dadurch konnten sie den Lebensraum Steppe nutzen zur Herdenhaltung.

Ihre Gräber wären eindrucksvoll und reich, aber sie hätten keine Wohnhäuser hinterlassen, da sie mobil gewohnt hätten. Nun gut, aber insgesamt sind seine Ausführungen über die Ethnogenese der Indogermanen dennoch sehr "unscharf", möchte ich meinen. Ich wies schon darauf hin, daß die Archäologie bislang nur wenige eindeutige Hinweise gefunden hat für die Zeit der Ethnogenese der Indogermanen für Kontakte zwischen ihrem Entstehungsraum und der frühen iranischen Bauernkultur. Für spätere Zeiten sind diese Verbindungen dann sehr wohl aufzuzeigen.

Was David Reich zum Beispiel gar nicht erwähnt ist, daß die Vorgänger-Kultur der Yamnaja, die Elshan-Kultur, die erste Kultur Europas gewesen ist, die Keramik hergestellt hat, nämlich um 7.500 v. Ztr., übernommen von China her. Dies scheint ein wesentlicher Umstand, denn hier zeichnet sich schon viel Fortschrittlichkeit und Innovationsfreude ab.

Außerdem wies ich selbst auch auf die Ausbreitung der Hirse von Nordchina nach Westen in dieser Zeit hin, verbunden - wahrscheinlich - mit der Ausbreitung der osteuropäischen Hausmaus von Nordchina nach Westen. Mit beiden Vorgänge muß auch die Ethnogenese der Indogermanen etwas zu tun gehabt haben, die ja zumindest recht früh auch in großen Städten gewohnt haben. Zumindest Dörfer wären auch für Hirse und Hausmaus vorauszusetzen, diese sind vermutlich nur noch nicht gefunden worden. Am Aralsee hat man entsprechendes für jene Zeitstellung schon gefunden.

Diese Ausführungen sind deshalb so wichtig: Denn sie, die Indogermanen, dort ganz, ganz weit draußen an der Mittleren Wolga, noch mehrere tausend Kilometer weiter heute von uns entfernt als unsere Großväter 1942 kamen, als sie Stalingrad eingenommen hatten, diese Leute sind UNSERE direkten Vorfahren.

Mit ihrer Zuwanderung nach Mitteleuropa (als Schnurkeramiker und Glockenbecherleute) endet das Neolithikum und beginnt die Bronzezeit. Und seit dieser Zuwanderung hat sich die genetische Zusammensetzung der Europäer nicht mehr grundlegend geändert! WIR sind Indogermanen und tragen all ihre reichen angeborenen und kulturellen Begabungen in uns, die zu dem "Human Accomplishment" geführt haben im Verlauf der Menschheitsgeschichte, das Charles Murray nachgewiesen hat (siehe gleichnamiges Buch).

Was aber künftig noch weiter erforscht werden wird, ist der Umstand, daß nach unserer Ethnogenese am Beginn der Bronzezeit unsere Haut durchschnittlich noch heller geworden ist (aufgrund von genetischer Selektion) und sich auch die Erwachsenenrohmilchverdauung aufgrund von Selektion ausgebreitet hat. Also auch noch nach der Ethnogenese hat es innerhalb der europäischen Völker Selektion gegeben, die nicht vernachlässigt werden kann, und deren Umfang derzeit und künftig noch genauer herausgearbeitet werden muß.

Insgesamt: Wir leben in spannenden Zeiten was die Erforschung unserer Herkunft betrifft. Frühere Generationen würden vor Schock umfallen über die vielen Erkenntnisse, die ihrer Weltsicht widersprechen dabei, aber vielleicht auch über die vielen Erkenntnisse, die genau das bestätigen, was sie auch schon gesagt hatten. Man denke etwa an die Kurgan-Hypothese von Marijan Gimbutas, die rundum und vollauf bestätigt worden ist durch diese Forschungen. Andere Jahrzehnte lang viel diskutierten Hypothesen über den Ursprung der Indogermanen - etwa die Anatolien-Hypothese - wurden definitiv widerlegt.

Ebenso wissen wir jetzt, was bislang ein Rätsel war, daß die gleichzeitig und oft auf engem Raum nebeneinander lebenden Glockenbecher-Leute und Schnurkeramiker beides Völker waren, die von den Indogermanen aus der Steppe abstammten (außer den Glockenbecher-Leuten in Spanien, die auffallenderweise einheimischer Abstammung sind).

Und zu ihnen sagt Reich auch noch etwas Spannendes. In Ungarn und in Südfrankreich hätte man Glockenbecher-Leute nebeneinander begraben gefunden (Ehepaare), von denen der eine rein indogermanischer und der andere rein vorindogermanisch-spanischer Abstammung war. Irre! Was war das für eine Ausnahmekultur? Diese Grablegungen können ja nur in der Generation des Zusammenkommens dieser beiden Abstammungslinien entstanden sein, denn sonst hätten sie nicht beide unvermischte Abstammungen gehabt. Und Ungarn und Südfrankreich liegen nicht gerade dicht beeinander. Das war also offenbar ein sehr weit verbreitetes Phänomen, daß Glockenbecher-Leute spanischer Abstammung nach Mitteleuropa kamen und dort zusammen mit Glockenbecher-Leuten indogermanischer Abstammung lebten. War das die erste nachweisbare "Weltreligion" der Weltgeschichte? Diese Möglichkeit deutet auch Reich an.

Und diese Glockenbecherleute hätten zu mindestens 90 % die bisherige Bevölkerung in Großbritannien schlichtweg ersetzt. Das war - unter anderem - jener berühmte Bogenschützen-Fürst aus Süddeutschland, der die Bronzezeit nach Stonehenge brachte und Stonehenge erbaute. Die haben Tabula Rasa mit der einheimischen Bevölkerung gemacht, Völkermord würde man heute sagen (wenn diese nicht an Seuchen oder anderem zugrunde gegangen ist). In der Mittleren Bronzezeit finden sich aber immerhin wieder 20 % einheimische vorbronzezeitliche britische Gene bei den Briten. Diese haben sich also aus Rückzugsräumen wieder ausgebreitet, ein ähnliches Phänomen, das man ja schon im Mittleren Neolithikum in Mitteleuropa finden konnte.

David Reich sagt abschließend, wir befinden uns gerade auf einer Entdeckungsreise wie die europäischen Entdecker des 15. bis 19. Jahrhunderts. Sie entdeckten dauernd neue Völker, neue Ethnien. Nun, meistens kennen wir diese nun alle schon, aber wir ergänzen diese damalige Aufnahme der Gegenwarts-Situation durch die historische Tiefendimension. Ein schöner Vergleich wie ich finde.

_____________________________________

1. David Reich: Midsummer Nights' Science: The Eliana Hechter Memorial Lecture (2017), https://www.youtube.com/watch?v=pgXYfLkRdJ0&t=1121s
2. http://studgendeutsch.blogspot.de/2017/07/neue-forschungen-zur-entstehung-der.html
https://www.youtube.com/watch?v=pgXYfLkRdJ0&feature=share

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen