"Migrationsstrategien, die traumatische Begegnungen verhinderten"
Im Jahre 2.700 v. Ztr. in Sachsen
So sieht der sächsische Archäologe Harald Meller, der wohl derjenige war, der gegenüber David Reich und anderen 2014 sich wegen "Kossinna" die Haare raufte, inzwischen die neuen Erkenntnisse, die die Ancient-DNA-Forschung mit sich gebracht hat, auf Sachsen bezogen. Man achte dabei auf die häufige Verwendung des Wortes "massiv" (1):
"Die Einwanderung der ersten Bauern der Linienbandkeramikkultur im Frühneolithikum führte zwar zu einer massiven Verdrängung mesolithischer Bevölkerungsgruppen, nicht aber zu deren Verschwinden, da diese sich in marginalisierten, für Ackerbauern uninteressanten, Gebieten niederließen. Es konnte wiederum festgestellt werden, dass jene ehemals nach Mitteldeutschland eingewanderten Ackerbauern um 35oo v. Chr. von den aus dem Norden kommenden Trichterbecherkulturen - bei denen es sich um die Nachfahren der Mesolithiker handelt" (stimmt übrigens nicht, die waren mehrheitlich Nachfahren der Bandkeramiker, bzw. der Michelsbergkultur) "- massiv überschichtet und verdrängt wurden. Die so entstandene Bevölkerung unterlag wiederum dem massiven genetischen Impact aus dem Osten durch die Schnurkeramiker. Ebenfalls ausgeprägt war der anschließende Einfluss der Glockenbecherkultur, aus dem - zusammen mit den kulturellen Leistungen der Schnurkeramikkultur - die frühbronzezeitliche Aunjetitzer Kultur entstand, bei der es sich um eine Vermischung aller Elemente handelt, die mehr oder weniger bis zu den heutigen Europäern konstant blieben."
So das rein wissenschaftliche Referat. Aber wirklich witzig sind im gleichen Beitrag immer wieder die gar zu übertriebenen Bezüge, Hinweise mit dem Zaunpfahl zu gegenwärtigen politischen Debatten. Ich halte sie für eines Wissenschaftlers ganz und gar unwürdig, schließlich will er da naturalistische oder kulturalistische Fehlschlüsse aller Art in beiderlei Richtungen ziehen. Meller sagt:
"In beiden Fällen - Migration und Ankunft von Migranten - handelt es sich um historische Ereignisse, die sich auf den regelmäßigen Ablauf des täglichen Lebens - vor allem in sesshaften Gesellschaften - auswirken, ...."
... man wird das so vermuten dürfen, ja .... Und weiter:
"...aber gleichzeitig zur erfolgreichen Entwicklung der Gemeinschaft beitragen, bzw. für diese notwendig sind."
Für diese notwendig sind! Dieser Satz ist dermaßen aberwitzig komisch, daß er zu jeder nur denkbaren Karikatur dienen kann. Man denke sich einen solchen Satz im Munde eines Indianerhäuptlings im 19. Jahrhundert in Nordamerika. Nein, unmöglich. Er KANN nur niedergeschrieben sein in einem Land wie Deutschland im Jahr 2016 nach Jesus Christus hab Erbarmen.
"... die zur erfolgreichen Entwicklung der Gemeinschaft beitragen, bzw. für diese notwendig sind." Muß noch nachgewiesen werden, wie hoffnungslos einfältig dieser Satz ist? Meistens wurden die vorher ansässigen Bevölkerungen, wie Meller zuvor selbst ausführte, "massiv" überlagert, verdrängt, in "Reservate" abgedrängt. Die Beziehungen zwischen Einwanderern und Ansässigen werden und können sehr komplex gewesen sein, ja, das können sie. Aber ein so einseitiges Bild?
Stand Harald Meller mit am Bahnhof, als die Schnurkeramiker ankamen und schwenkte fröhlich die Fahnen? Man möchte es fast glauben. Die Einheimischen damals werden sich so super dabei gefühlt haben, marginalisiert zu werden. So super. Und fünfzig Jahre später schrieb ein Nachfahren der Einwanderer voller Verständnis für das Schicksal der marginalisierten Einheimischen seinen großen Erzählungsband: "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses". Und alle Nachfahren der Einwanderer verdrückten eine Träne. Oder so.
Meller: "Es ist daher zu erwarten, dass die vor- und frühgeschichtlichen Gesellschaften über Strategien verfügten, die sowohl die Mobilität als auch die Aufnahme von Personen und Gruppen regelten und traumatische Begegnungen verhinderten."
Man traut und glaubt seinen Augen nicht, während man das liest. Man glaubt es einfach nicht. Ach, Du liebe Güte. wie stellt sich Harald Meller denn Menschengeschichte vor? Soll man einfach mal sagen: Dieser gute Herr Meller kann keine Mitglieder in seiner Familie haben und auch noch nie in der Nachbarschaft und im Bekanntenkreis von Familien gehört haben, die Erfahrungen haben mit der Verdrängung von Ethnien? Mit der Vertreibung des Jahres 1945 aus den Gebieten jenseits von Oder und Neiße, mit all diesen "schönen" Migrationen in andere Länder, für deren nichttraumatischen Umgang wir ja so viel Erfahrung gesammelt haben in den Jahrtausenden der Geschichte. Scheinbar wirkt das Kossinna-Trauma der deutschen Archäologie wirklich stark nach ...
1. Migration and Integration from Prehistory to the Middle Ages. Available from: https://www.researchgate.net/publication/320866192_Migration_and_Integration_from_Prehistory_to_the_Middle_Ages [accessed Nov 23 2017]
https://www.researchgate.net/publication/320866192_Migration_and_Integration_from_Prehistory_to_the_Middle_Ages
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